Abonnement mit vier- h
telſähr. Vorausbezaelun. y m Ü
in Mannheim 1 fl. 15 tr, ) g. aa 4
durch die Poſt bezogen im e M
ganzen Grofherzogthim „so WE,
Baden 2 fl. 8 kr., int
Ausland erhöht fich das
Ybonnement um den Poft-
_ auſfsſchlag.
Inseratediegeſyaltens
Zeile in Petitschrift oder
. .. „_ deren Raum 3 kr. Znſs-
§ Fo rate, worüber die Redak-
I E.-.3.L d ..
F hat, die Zeile oder deren
j Raum A kr. + Yriefe
und Get erbittet man
ranco.
Dienstag
Juni
1845
Deutfchland.
Wolfach, 29. Mai. Der katholische Oberkirchenrath
hat unlängſt an sämmtliche Bezirksſchulvisitationen den Er-
laß ergehen laſſen: „Denjenigen Induſtrieſchülern, welche sich durch
Fleiß und guten Fortgang auszeichnen, Prämien zu ertheilen, um fo
unter ihnen Wetteifer in Erlernung der Lehrgegenſtände der Induftric-
schule zu erzengen und zu erhalten." Wenn aber dadurch diese Absicht
erreicht wird, warum ſucht man nicht auf gleiche Art den Fleiß un-
ter den Normalſchülern zu erregen? Iſt vielleicht die Erlernung der
Lehrgegenſtände der Induſtrieſchule wichtiger als die Erlernung jener
der Normalſchuler. Iſt sich unter solchen Umſtänden zu verwundern,
wenn die Kinder die L.hrgegenſtände der Normalschule gering achten,
ſie verst. Un und die meiſte Zeit auf die der Induftrieſchule
verwenden ?
Heidelberg, 6. Juni. (Frkff. J.) Welche Beurtheilung die
jüngſt erfolgte Ausweisung der landftändischen badischen Abgrordneten
v. Itzſtein und Hecker aus der preußiſchen Monarchie bei allen
Claſſen des Volkes erfahren hat, das beweisen die zaÿlreichen hierdurch
hervorgerufenen Adressen, welche an diese hochverehrten Männer ein-
laufen. Die Heidelberger Bürger haben zwar noch keine Adresse
überſchickt. Als aber vor wr.nigen Tagen der greiſe Itftein von
Mannheim herüber gekommen war und die Galerie des Saals des
großen Bürgeraussſchuſſes, worin gerade Sitrung gehslten wurde,
kaum betreten hatte, um nach jener traurig verkümmerten Reise einen
alten Freund wieder zu begrüßcn (nachdem er ihn vergeblich in seiner
Wohnung aufzesucht batte), da erhoben sich (während eben ein Brricht
erſtaitet wurde) plötlich einmüthig sämmtliche Repräsentanten der
Gemeinde von ihren Sitzen und brachten dem gefcierten badischen
Bürger ein vielmaliges lautes Hoch. Solche Thatsachen sprechen of-
fen und vernehmlich aus, was die Bruft ſchlichter Bürger, denen die
Hr! Drutſchlands kein leerer Traum iſt, gegenüber jener Maß-
regel bewegt.
Fannover, 2. Juni. (H. C.) Die Ausweisung der Herrn v.
Ihſtrin und Hecker aus den preuß ſchen Staaten hat auch hier zu
mancherl i Bitrachtungen Anlaß gegeben, von denen hier nur tie eine
erwähnt werden mag, daß in unserm Lande und von unseren Re-
gierung, was auch von schlimmen Maßregeln in der aufgeregten Zeit
von 1837 bis Al zum Vorschein gekommen, eine s ol h e Maßregel,
ſelbſt in jener aufgeregten Ze.t, nicht möglich gervesen wäre. Man
darf mit Recht darauf gespannt seyn, welche Gründe jener Ausweis-
ung zum Grunde gelegen. Zu den verschiedenen G.sichtepunkten, unter
denen jenes Ereigniß gerade bier in Hannover betrachtet wird, gehört
auch der von der deutschen Einigkeit und Cinheit. '
. YF Berlin, 5. Juni. Auch die Bossiſche Zeitung enthält jetzt
eine aus Mühlhausen in Thüringen eingesandte“ Aufforderung an
die Regierung, toch die Gerüchte über die Ausweisung der beiden
badiſchen Deputirten zu widerlegen; die Regierung beobachtet indessen
ein hartnäckiges Schweigen. ~ Der König wird, wie man hört, doch
mit dem Kaiſer von Rußland zusammenkommen und auch von Stettin
aus noch auf einige Tage nach Kopenhagen gehn. Aus Halle iſt
geſtern die Nachricht eingetroffen, daß es Wislicenus auf einen
besondern Brfehl des Königs wieder gestattet worden iſt, sein Amt
zu versehen. Die Vorstellungen seiner Gemeinde und des Magiſtrats
ſollen unmittelbar zu dieſem Befehl geführt haben. Die Volkvcrsamm-
lungen der Provinz Sachsen bleiben dagegen verboten. Die Bildung
ines proteſtan!iſches Vereins hier in der Hauptſtadt kann iet be-
ts als ein Faktum betrachtet werden. Derselbe wird jedoch eine
'z ſreie Form annehmen, und sich nur auf die Vertretung gesun-
religiöser Ansichten und auf die Entgegenwirkung gegen den hier
[ ein ſchleichendes Fieber graſsſirenden Pietismus, ſoviel dies jedem
| yyelnen wöglich iſt beſchräsken. Er wird keinen andern Mittel-
kt, als ein gemeinsames L.sekabinet, in dem alle religiöſen Schrif-
n von Jutereſſe ausgelegt werden sollen, haben. Das iſt zwar
. enig, aber doch immer ein Anfang, und muß unter den gegenwär-
tigen Verhältniſſen wohl genügen. + Die Lutesche Sache iſt jetzt
durch eine eigene Kabinetsordre aufgeklärt worden.
Der König hatte dem B. Lutze nichts Anderes gewährt, als daß er
von der Bewachung durch einen Gensdarmen, die gesetzlich nicht ge-
rechtfertigt erscheine, befreit würde. Dieser Befehl war vem Polizei-
direktor in Potsdam mündlich von dem Adjutanten des Königs über-
bracht worden, Lutze ließ ſich denselben jcdoch, nachdem er vollzogen
worden, von dem Poliziedirektor schriftlich geben und täuſchte damit
den Censor, indem er einen Artikel, der an die völlige Aufhebung
des Miriſterialbefehls, der ihm die Praxis untersagte, ſchmiedete.
Die Autorität des Ministeriums iſt somit wieder hergeſtellt, dabei
kann man jedoch nicht umbin, sich darüber zu verwundern, daß ſselbſt
aus dieser Kabineteortre hervorgeht, daß Lutze lange Zeit als zu sehr
begünstigt, und dadurch ermuthigt worden iſt, Schmähungen gegen
die ihn hindernden Behörden auszuſtoßen. Auch will es Biele bedün-
ken, als ſtehe sie Verfolgung, die i) m jetzt zu Theil werden ſoll, mit
ſeiner früheren Gunſt gar nicht in Einklang und als enispreche die
Sprache, welche in dieser Ortre herrſcht, die der Mäßigung, die
man ſsonſt wohl bei Regierungsmaßregeln erwartet und gewohnt iſt,
nicht. – Gegen Schlöffel iſt jett, wie wir aus einer Minifterialer-
klärung ersehen, eine wirlliche Kriminaluntersuchung eingeleitet wor-
den.
*** Leipzig. Das politiſche Leben, zu dem man bei uns in Sach-
sen erwacht sein will, iſt nicht sſo umfassend, als man unſ.rn Zeitun-
gen nach glauben sollte. Wie könnte das Volk auch der trockenen
Politik Geschmack abgewinnen! Die Politik ist nur für Einzelne,
kümmert sich nicht um das Wohl und Wehe jedes Einzelnen. Die
politischen Zeitungen, sehr wenige ausgenommen, ergehen sich ſämmt-
lich in stereorypen Bertröſtungstheorien, welche ein an kräftige Koſt
gewöhnter Magen schwer verdauen kann. Es dürfle bei dem gewöhn-
ligen Laufe der Dinge noch einige Zeit dauern, bis der Deutſche seine
ihm von der Natur anscheinend eingeimpfte Servilität ablegt und
als Mann im wahren Sinne des Wortes sich offenbart. – Censur
iſt blos ein Schößling des großen Mutterbaumes, der wie ein Alp
auf vem seufzenden Europa laſtee. Mehr oder weniger herrſcht sie
in England durch Geldſtrafen, in Frarkreich durch Ste.npelabgaben,
Cautionen, ebenſo in der Schweiz, überall durch Prceßzeseße und ab-
hängige Gerichte. Preßzesetze erſticken die Preßfreiheit. ~ Ueber h.
Jordans Untersuchung wegen Blasphemie, iſt noch immer nichts
entschieden. Unter die bedeutendſten Erſcheinungen in der Literatur ift
unſtreitig das so eben bei Otto Wigand erſchienene Werk von Fried-
rich Engels „Die Laze der arbeitenden Klaſſe in England" zu rech-
nen. Der Riflex, den es auf unsere Z.ſstände wirft, wird den Geld-
rittern wenig behagen, wird aber um so weniger ſ.ine Wirkung ver-
fehlen, als das Buch zugleich in engliſcher S) r iche gedruckt nach
England versandt worden iſt. Es wird viel, sehr viel zum Verſtänd-
niß beitragen, manche der Herren Lords werden ihren Spleen darü-
ber vergeſſ.n. Nur so viel: das Werk behandelt das indufßtielle
Proletariat, die großen Städte, tie Konkurrenz, die iriſche Ein-
wanderung, die einzelnen Arbritszweige, die Arbeiterbewegungen, das
Bergwerks- Proletariat, das Ackerbau- Proletariat, die Stellung der
Bourgeoisie zum Proletariat.
Breslau, 2. Juni. (Bresl. 3.1 In Oberschlesien zeigt sich
in diesem Jahre eine merkwürdige Auswanderungeluft nach Polen.
Täglich ziehen Wagen dahin ab und viele Hunderte bereiten sich noch
zum Abzuge vor. Geheime Commisſäre polnischer Edelleute mit vor-
züglichen Versprechungen auf dem Papier durchwandern die Gegend
und werben. Dabei werden die Gränzverhältniſſe mit Polen immer
trückender. + In Kurzem wird in Oppeln die bcrüchligte Hebamme
Malech, welche 47 Mal Feuer angtlegt hatte, hingerichtet werdenz
eben so erwartet man dort noch dte Hinrichtung des Raubmörders
Janitzko aus Voigtsdorf.
Poſen, 5. Juni (Fr. O.- P.- A.- Z.) Großes Aufsehen macht
es unter den hieſigen Polen, daß eine Geſell chaſt von vornehmen
Edelleuten, an deren Spitze der General Chlapowski und andere sehr
telſähr. Vorausbezaelun. y m Ü
in Mannheim 1 fl. 15 tr, ) g. aa 4
durch die Poſt bezogen im e M
ganzen Grofherzogthim „so WE,
Baden 2 fl. 8 kr., int
Ausland erhöht fich das
Ybonnement um den Poft-
_ auſfsſchlag.
Inseratediegeſyaltens
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. .. „_ deren Raum 3 kr. Znſs-
§ Fo rate, worüber die Redak-
I E.-.3.L d ..
F hat, die Zeile oder deren
j Raum A kr. + Yriefe
und Get erbittet man
ranco.
Dienstag
Juni
1845
Deutfchland.
Wolfach, 29. Mai. Der katholische Oberkirchenrath
hat unlängſt an sämmtliche Bezirksſchulvisitationen den Er-
laß ergehen laſſen: „Denjenigen Induſtrieſchülern, welche sich durch
Fleiß und guten Fortgang auszeichnen, Prämien zu ertheilen, um fo
unter ihnen Wetteifer in Erlernung der Lehrgegenſtände der Induftric-
schule zu erzengen und zu erhalten." Wenn aber dadurch diese Absicht
erreicht wird, warum ſucht man nicht auf gleiche Art den Fleiß un-
ter den Normalſchülern zu erregen? Iſt vielleicht die Erlernung der
Lehrgegenſtände der Induſtrieſchule wichtiger als die Erlernung jener
der Normalſchuler. Iſt sich unter solchen Umſtänden zu verwundern,
wenn die Kinder die L.hrgegenſtände der Normalschule gering achten,
ſie verst. Un und die meiſte Zeit auf die der Induftrieſchule
verwenden ?
Heidelberg, 6. Juni. (Frkff. J.) Welche Beurtheilung die
jüngſt erfolgte Ausweisung der landftändischen badischen Abgrordneten
v. Itzſtein und Hecker aus der preußiſchen Monarchie bei allen
Claſſen des Volkes erfahren hat, das beweisen die zaÿlreichen hierdurch
hervorgerufenen Adressen, welche an diese hochverehrten Männer ein-
laufen. Die Heidelberger Bürger haben zwar noch keine Adresse
überſchickt. Als aber vor wr.nigen Tagen der greiſe Itftein von
Mannheim herüber gekommen war und die Galerie des Saals des
großen Bürgeraussſchuſſes, worin gerade Sitrung gehslten wurde,
kaum betreten hatte, um nach jener traurig verkümmerten Reise einen
alten Freund wieder zu begrüßcn (nachdem er ihn vergeblich in seiner
Wohnung aufzesucht batte), da erhoben sich (während eben ein Brricht
erſtaitet wurde) plötlich einmüthig sämmtliche Repräsentanten der
Gemeinde von ihren Sitzen und brachten dem gefcierten badischen
Bürger ein vielmaliges lautes Hoch. Solche Thatsachen sprechen of-
fen und vernehmlich aus, was die Bruft ſchlichter Bürger, denen die
Hr! Drutſchlands kein leerer Traum iſt, gegenüber jener Maß-
regel bewegt.
Fannover, 2. Juni. (H. C.) Die Ausweisung der Herrn v.
Ihſtrin und Hecker aus den preuß ſchen Staaten hat auch hier zu
mancherl i Bitrachtungen Anlaß gegeben, von denen hier nur tie eine
erwähnt werden mag, daß in unserm Lande und von unseren Re-
gierung, was auch von schlimmen Maßregeln in der aufgeregten Zeit
von 1837 bis Al zum Vorschein gekommen, eine s ol h e Maßregel,
ſelbſt in jener aufgeregten Ze.t, nicht möglich gervesen wäre. Man
darf mit Recht darauf gespannt seyn, welche Gründe jener Ausweis-
ung zum Grunde gelegen. Zu den verschiedenen G.sichtepunkten, unter
denen jenes Ereigniß gerade bier in Hannover betrachtet wird, gehört
auch der von der deutschen Einigkeit und Cinheit. '
. YF Berlin, 5. Juni. Auch die Bossiſche Zeitung enthält jetzt
eine aus Mühlhausen in Thüringen eingesandte“ Aufforderung an
die Regierung, toch die Gerüchte über die Ausweisung der beiden
badiſchen Deputirten zu widerlegen; die Regierung beobachtet indessen
ein hartnäckiges Schweigen. ~ Der König wird, wie man hört, doch
mit dem Kaiſer von Rußland zusammenkommen und auch von Stettin
aus noch auf einige Tage nach Kopenhagen gehn. Aus Halle iſt
geſtern die Nachricht eingetroffen, daß es Wislicenus auf einen
besondern Brfehl des Königs wieder gestattet worden iſt, sein Amt
zu versehen. Die Vorstellungen seiner Gemeinde und des Magiſtrats
ſollen unmittelbar zu dieſem Befehl geführt haben. Die Volkvcrsamm-
lungen der Provinz Sachsen bleiben dagegen verboten. Die Bildung
ines proteſtan!iſches Vereins hier in der Hauptſtadt kann iet be-
ts als ein Faktum betrachtet werden. Derselbe wird jedoch eine
'z ſreie Form annehmen, und sich nur auf die Vertretung gesun-
religiöser Ansichten und auf die Entgegenwirkung gegen den hier
[ ein ſchleichendes Fieber graſsſirenden Pietismus, ſoviel dies jedem
| yyelnen wöglich iſt beſchräsken. Er wird keinen andern Mittel-
kt, als ein gemeinsames L.sekabinet, in dem alle religiöſen Schrif-
n von Jutereſſe ausgelegt werden sollen, haben. Das iſt zwar
. enig, aber doch immer ein Anfang, und muß unter den gegenwär-
tigen Verhältniſſen wohl genügen. + Die Lutesche Sache iſt jetzt
durch eine eigene Kabinetsordre aufgeklärt worden.
Der König hatte dem B. Lutze nichts Anderes gewährt, als daß er
von der Bewachung durch einen Gensdarmen, die gesetzlich nicht ge-
rechtfertigt erscheine, befreit würde. Dieser Befehl war vem Polizei-
direktor in Potsdam mündlich von dem Adjutanten des Königs über-
bracht worden, Lutze ließ ſich denselben jcdoch, nachdem er vollzogen
worden, von dem Poliziedirektor schriftlich geben und täuſchte damit
den Censor, indem er einen Artikel, der an die völlige Aufhebung
des Miriſterialbefehls, der ihm die Praxis untersagte, ſchmiedete.
Die Autorität des Ministeriums iſt somit wieder hergeſtellt, dabei
kann man jedoch nicht umbin, sich darüber zu verwundern, daß ſselbſt
aus dieser Kabineteortre hervorgeht, daß Lutze lange Zeit als zu sehr
begünstigt, und dadurch ermuthigt worden iſt, Schmähungen gegen
die ihn hindernden Behörden auszuſtoßen. Auch will es Biele bedün-
ken, als ſtehe sie Verfolgung, die i) m jetzt zu Theil werden ſoll, mit
ſeiner früheren Gunſt gar nicht in Einklang und als enispreche die
Sprache, welche in dieser Ortre herrſcht, die der Mäßigung, die
man ſsonſt wohl bei Regierungsmaßregeln erwartet und gewohnt iſt,
nicht. – Gegen Schlöffel iſt jett, wie wir aus einer Minifterialer-
klärung ersehen, eine wirlliche Kriminaluntersuchung eingeleitet wor-
den.
*** Leipzig. Das politiſche Leben, zu dem man bei uns in Sach-
sen erwacht sein will, iſt nicht sſo umfassend, als man unſ.rn Zeitun-
gen nach glauben sollte. Wie könnte das Volk auch der trockenen
Politik Geschmack abgewinnen! Die Politik ist nur für Einzelne,
kümmert sich nicht um das Wohl und Wehe jedes Einzelnen. Die
politischen Zeitungen, sehr wenige ausgenommen, ergehen sich ſämmt-
lich in stereorypen Bertröſtungstheorien, welche ein an kräftige Koſt
gewöhnter Magen schwer verdauen kann. Es dürfle bei dem gewöhn-
ligen Laufe der Dinge noch einige Zeit dauern, bis der Deutſche seine
ihm von der Natur anscheinend eingeimpfte Servilität ablegt und
als Mann im wahren Sinne des Wortes sich offenbart. – Censur
iſt blos ein Schößling des großen Mutterbaumes, der wie ein Alp
auf vem seufzenden Europa laſtee. Mehr oder weniger herrſcht sie
in England durch Geldſtrafen, in Frarkreich durch Ste.npelabgaben,
Cautionen, ebenſo in der Schweiz, überall durch Prceßzeseße und ab-
hängige Gerichte. Preßzesetze erſticken die Preßfreiheit. ~ Ueber h.
Jordans Untersuchung wegen Blasphemie, iſt noch immer nichts
entschieden. Unter die bedeutendſten Erſcheinungen in der Literatur ift
unſtreitig das so eben bei Otto Wigand erſchienene Werk von Fried-
rich Engels „Die Laze der arbeitenden Klaſſe in England" zu rech-
nen. Der Riflex, den es auf unsere Z.ſstände wirft, wird den Geld-
rittern wenig behagen, wird aber um so weniger ſ.ine Wirkung ver-
fehlen, als das Buch zugleich in engliſcher S) r iche gedruckt nach
England versandt worden iſt. Es wird viel, sehr viel zum Verſtänd-
niß beitragen, manche der Herren Lords werden ihren Spleen darü-
ber vergeſſ.n. Nur so viel: das Werk behandelt das indufßtielle
Proletariat, die großen Städte, tie Konkurrenz, die iriſche Ein-
wanderung, die einzelnen Arbritszweige, die Arbeiterbewegungen, das
Bergwerks- Proletariat, das Ackerbau- Proletariat, die Stellung der
Bourgeoisie zum Proletariat.
Breslau, 2. Juni. (Bresl. 3.1 In Oberschlesien zeigt sich
in diesem Jahre eine merkwürdige Auswanderungeluft nach Polen.
Täglich ziehen Wagen dahin ab und viele Hunderte bereiten sich noch
zum Abzuge vor. Geheime Commisſäre polnischer Edelleute mit vor-
züglichen Versprechungen auf dem Papier durchwandern die Gegend
und werben. Dabei werden die Gränzverhältniſſe mit Polen immer
trückender. + In Kurzem wird in Oppeln die bcrüchligte Hebamme
Malech, welche 47 Mal Feuer angtlegt hatte, hingerichtet werdenz
eben so erwartet man dort noch dte Hinrichtung des Raubmörders
Janitzko aus Voigtsdorf.
Poſen, 5. Juni (Fr. O.- P.- A.- Z.) Großes Aufsehen macht
es unter den hieſigen Polen, daß eine Geſell chaſt von vornehmen
Edelleuten, an deren Spitze der General Chlapowski und andere sehr