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Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 146 - No. 175 (1. Juni - 30. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0654

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6l1s

fromme Herren stehen, die Conceſſion zur Herausgabe einer zmeiten
polnischen politischen Zeitung erhalten hat. Das junge Kintlein ſoll
mit großem Koſtenaufwande ins Leben eingeführt und von Geburt an
zu einem ariſtokratiſch - gottselizen Leben erzogen werden. Wenn nur
die Sprache des hyper-ariſtokratischen Handwerks nicht so verzweifelt
langreilig wäre: zumal für die Jetztzeit, in der man überall Pikan-
tes und Neves verlangt! Der junge politische Weltbürger wird ſei-
nen reichen Gevattern vrrmuthlich vicl Geld koſten und viel Sorge
machen und doch nicht recht gerathen. Wie wcnig Journale gelesen
werden, die nicht durch eigene Lebenskraft beſtehen, sondern nur durch
Patrone aufrecht gehalten werden, hat die weiland berühmte Adels-
zeitung zur Genüge dargcthan.

Magdeburg, 1. Juni. (Hamb. N. Z.) Der größte Theil
der Bürger von Halle hat 1500 Rthtlr: subscribirt, um dem dortigen
Prediger Wislicenus im Jalle seiner Entlaſſang aus dem Prediger-
Amte eine sichere Subsiſtenz zu verschaffen. Der Buchhändler D.
Schwetſchke hat in diesem Falle ihm eine Etage seines Hauſes zur
Wohnung, oder, wenn er sie nicht benutzen wird, den Mieths-Ertrag
derselben angeboten. Selbſt von unbemittelten Leuten kommen Ver-
sicherungen der Theilnahme und Anerbietungen von Unterſtützungen bei
Wislicenus ein. –~ In einem Dorfe bei Neuhanelsleben hat ein
evangelisch er Prediger fünf Gemeinde- M tglieder vom Abend-
mahle zurückgewiesen, weil sie sich geweigert hatten, vor ihm in sein-
er Wohnung Privatbeichle abzulegen. Die Gemeinde hat auf Ber-
setzung ihres Predigers höhern Ortes angetragen.

— Die glogauer deutſch-katholiſche Gemeinde hat den
Hrn. Ruprecht zu ihrem Prediger berufen. – Am [1. Juni hat in
Hirſchberg die erſte Verſammlung der ſich in dortiger Gegend bil-
dendcn deutſch-katholiſchen Gemeine stattgefunden. – Am 29. Mai
hat Hr. Ronge den erſten Gottesdienſt der deutſch kathoiſchen Ge-
meinde in Striegau abgehalten. –~ An der Spite der deutſch katho-
liſchen Gemeinde in Targouitz ſteht der Oberſteiger Kupuscinski.
~ Am 26. Mai constituirte sich die deuiſch-katholiſche Gemeinde in
Weolthlau, unter Leitung des Land- und Stadtgerichtsraths Göp-
pert. ~ Am 25. Mai conſtituirte sich cine deutſch- katholische Ge-
meinde in Köben.

Das große Dorf Baumgart bei Chriſthurg von gegen
1000 Einwohner hat faſt lauter evangelische Einſaſſen und katholische
Dienſtleute. Nach dem „„Danzizer Dampfboot-- wollen faſt Alle ſich
sowohl von der evangeliſchen als römiſch-katholiſschen Kirche trennen
und ein eigenes deutſch.katholiſches Pfarrſyſtem errichten.

Stuttgart, 6. Juni. 57 te Sitzung der Kammer der Ab-
geordneten. Die heutige Sitzung, welche von Morgens 9 bis Nach-
mittags 2'/, Uhr dauerte, ward ganz mit der Berathung des Be-
richts der ſtaatsrechtlichen Commiſſion, die Bitte der Israeliten um
Verwendung für den Zweck ihrer Gleichſtellung mit den chriſtlichen
Staats - Angehörigen, oder doch jedenfalls um eine Revision des
Geseßes vom 28. April 1828 über die öffentlichen Verhältnisse der
Israeliten im Sinne der Gleichſtellung betreffend, ausgefüllt. Der
Commlissonsbericht (Brrichterſtatter Holzinger) iſt äußerſt umfang-
reich, und beleuchtet die früheren wie die jetzigen Verhältniſſe der
Israe'iten auf eine erschöpfende Weiſe. Dem Principe nach ſpricht
die Commiſſion einer v ollſtändigen Emanzipation der Ju-
den das Wort, so daß ihnen auch die ſtaatsbürgerlichen Wahl-
und Wählbarkeitsrechte zuzuerkennen wären, denn sagt die Commiſ-
ſion: die Gerechtigkeit erfordert Gleichheit vor dem G e-
se e und Gerechtigkeit soll das erſte und leitende Princip der Ge-
ſet gebung sein. Sollte es sich alſo um neue ſtaatsgrundgeſsesliche
Beſtimmungen handeln, so vermöchte ſich die Commisſion für einen
Grundsatz nicht auszusprechen, welcher den Genuß politischer Rechte
vom religiöſen Glauben abhängig machen oder überhaupt das
Aeußere des bürgerlichen Lebens durch einen beſtimmten religiösen
Glauben bedingen würde, sofern die Staatsbürger durch die Grund-
sätze ihrer Religion an der Erfüllung der bürgerlichen Rechte nicht
gehindert werden. Allein, ſagt die Commisſion, der Standpunkt,
von welchem sie bei der vorliegenden Bitte der Israeliten auszu-
gehen habe, sei ein anderer, es sei ein poſitiv rechtlicher. Unsere
Verfassungsurkunde *) ſtellt im g. 21 den Satz auf : „Alle Würt-
temberger haben gleiche ſtaatsbürgerliche Rechte, und ebenso sind ſie
zu gleichen ſtaatsbürgerlichen Pflichten und gleicher Theilnahme an
den Staatslaſten verbunden, so weit nicht die Verfaſſung eine aus-
drückliche Ausnahme enthält.. Der g. 27 sagt: rDen vollen
Genuß der ſtaatsbürgerlichen Rechte genießen die drei chriſtlichen
Glaubensbekenntniſse, Andere chriſtliche und nicht christliche Glau-
bensgenoſſen können zur Theilnahme an den bürgerlichen Rechten
nur in dem Verrhältniſse zugelaſſen werden, als ſie durch die Grund-
sätze ihrer Religion an der Erfüllung der bürgerlichen Pflichten
nicht gehindert werden.« Ferner bestimmt dieselbe hinſichtlich der



*) Wir stellen diese Paragraphen der Verfaſſung hier namentlich auch mit
Beziehung auf die Deutsch-Katholiken sv ausführlich zusammen.

und Norwegen., Dennoch seien die unter Cyhriſtian IV. erorteyez.

Ausübung der ſtaatebürgerlichen Wahl- und Wällbarkeitsrechte:
§. 135. Die allgemeine Erforderniſſe eines Mitgliedes .der Ständer
versammlung find: 1) daſſelbe muß einem der drei chriſtlichen
Glaubensbekenntniſſe angehören 1c. g. 142. Zu Ausübung des
Wahlrechts jeder Art werden eben die persönlichen Eigenschaften er-
fordert, welche nach g. 135 der Abzuordnende selbſt haben muß.

_ Daß die Verfassungsurkunde die Ausübung der ſtaatsbürger-
lichen Wahl- und Wählbarkeitsrechte von einem der drei chriſtlichen
Glaubensbekenntnisse abhängig macht, iſt hiernach für sich klar, und
ſie hat daher eine Ausnahme von der Gleichheit hinsichtlich des
Geusſer der ſtaatsbürgerlichen Rechte aller Württemberger ſelbſt
aufgeſtellt.

Diese Paragraphen der Verfaſſungs - Urkunde ſchließen nicht
nur die Israeliten, sondern alle chriſtlichen Staatsbürger, welche
ſich zu einer der drei chriſtlichen Kirchen nicht bekennen, so wie die
nicht chriſtlichen Glaubensgenoſſen von dem Genuſſe des aktiven
und paſſiven ständischen Wahlrechts aus, woraus ſich von ſelbſt
ergibt, daß eine Aufhebung dieser Verfaſſungsbeſtimmungen nicht
bloß auf einen Theil der nicht chriſtlichen Glaubensgenoſſen ve.
schränkt werden könnte, sondern daß die Gleichheit aller württem-
bergiſchen Staatsbürger, ohne Unterschied ihres Glaubensbekennt-
niſſes, in Beziehung auf ſtaatsbürgerliche Rechte eintreten müßte.
Die Commisſſion glaubt, daß ein Antrag hierauf nicht räthlich sein
dürfte und beschränkt sich dahin zu beantragen, die Kammer möge
beschließen, die Staatsregierung zu bitten, das Gesetz vom 25. April
1828 in Betreff der öffentlichen Berhältniſſe der israelitiſchen Glau-
bensgenoſſen im Sinne einer vollständig eren Emanzipation ei-

ner Revision zu unterwerfen und einen Gesetzesentwurf hierüber

zur Verabschiedung zu bringen. Die Debatte selbst, so lange sie
war, gab doch durchaus im Weſentlichen keinen neuen Geſichts-
punkt an die Hand, weswegen wir uns ſo kurz als möglich faſſen,
indem die Kammermitglieder selbſt des vielen und langen Sprechens
so müde wurden, daß man am Ende allgemein nach Abſtimmung
rief. Nach Zurückziehung dos Biiel'ſchen Antrags , der eine volftän-
dige Emancſpation deutlichſt forderte, wurde der Commissionsantrag
durch Alclamation zum Beschluß der Kammcr erhoben. (GBeob.)

Aus Baiern, 2 Juni. (Köln. Z.) Sicherm Vernehmen zu-
folge beschäftigt sich unsere Regierung in diesem Augenblicke mit einem
Gesetzentwurfe, der die Verbesserung der bürgeilichen Verhältniſſe
der Jud en bezweckt und der nächſien Ständeverſammlung zur Be-
gutachtachtung vorgelegt werden wird. Das die pfälzer Ilſraeliten
ſo schr bedrängende kaiserliche Deeret vom 17. März 1808 soll nun
auch aufgehoben werdin, zumal man höhern Orts mit Vergnügen
wahrgenommen hat, daß der ſittliche Fortſchrit der Jaden einer sol-
<en Maßregel würdig iſt.

sFrannover , A. Juni. Die Ultradänen, welche gern die deut-
ſchen Lande Schlee wig-Holſtein und Lauenburg für immer urd woil-
lenlos an das kleine Dänemark feſſcln möchten, droben fortwährend
mit einer Einmiſchung Rußlands, Englands und Frankreichs in die
Crbſchaſtsfrage. Die „Hannover"ſche Zeitung" ſchreibt dagegen: Die
großen Mächte, obwohl mit unſerm Staate befreundet, werden ſchwer-
lich ſchon gegenwärtig eine befriedigende Versicherung abgeben, da
eine solche sich doch nach den vorhandenen Umſiänden richten muß,
die entscheidenden Umſtände aber nur diejenigen sein können, welche
in der Zeit, da der Erbfall ſich ereignet, vorhanden ſein werden.
Die Zukunft allein wird unser Schicksal geftalten, ihr wird man nicht
unnöthiger Weise vorgreifen.

Aus Fsolstein, A4. Juni. Bekannilich ſind vor einiger Zeit
die däniſchen Beſitzungen auf dem oflindiſchen Feſilande, nämlich die
Stadt Tranquebar auf der Kiſte Koromandel, die Stadt Frederiks-
nagore in Bengalen und ein Stück Land in B lahore, an die eng-
liſch-oſtindiſche Compagnie für die Summe von 1,4 Million Rupien
(11/8 Mill. R.ichsbankthaler) verkauft worden. Mit Beziehung hier-
auf macht nun die „Kjöbenhaunspoſt-- eine Bemerkung, die ohne Zwei-
fel von Intercſse iſt, indem sie darauf hinweiſ’t, wie hier wirder ein
Beweis vorliege, daß das dänische Königsgeſetz nicht so völlig erſtarrt
und unbeweglich sei, wie die Verfechter des Abſolutismus mit dem
königl. Ständecommiſſar an der Spitze dem Volke gern glauben ma-
cen möchten. Im g. 19 des Königsgesctzes heißt es nämlich, daß
„die Reiche Dänemark und Norwegen ſammt allen dazu gehörenden
Provinzen und Landen, Jnseln, Feſtungen u. s. w. und Atlem, was
der König gegenwärtig mit Eigenthumsrecht beſite, oder was künftig
entweder mit dem Schwerte gewonnen oder durch Erbſchaft oder an-
dere gesetzliche Titel oder Mittel erworben werten möge, Alles zu-
ſammin, Nichts ausgenommen, ungctrennt und ungetheilt sein und
bleiben solle unter Einem Alleinherrſchafts-Crb- Könige von Dänemark
Besitzungen in Indien von S. Maj. verkauft; dies sei sicher zum By
ſten des Landes, so wie es auch zu wünschen wäre, daß ſich eille.
 
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