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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 238 - No. 267 (1. September - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1043

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jn Mannheim 1 fl. 15 kr. qs

ganzen Hrefterztsitum u
Ruslan erköht fich das
Abonnement umden Poſt-
aufschlag.

Mittwoch

annheimer jj;

10. September



Inserate diegéſpaltene
sette tiert ſritt ore:

ti b end Ìeitun rate, worüber die Redak-
Z m:

Raum 4 kr. – Briefe
und Hely. ttt. man

1845.





* Jeſuiten jenſeit des Oceans.

Es iſt merkwürdig, daß die Jeſuitenberufungsfrage genau zu
derſelben Zeit, wo ſie im tiefsten Herzen Europa's, in den abgeschlos-
ſenen Alpenthälern der schweizerischen Freiſtaaten, die Gemüther be-
wegte und den Bürgerkrieg vorbereitete, auch eine Republik im fer-
nen Weſten, jenseit des atlandischen Weltmeeres, ganz in ähnlicher
Weise zu erſchüttern Miene machte. ; ;

Jequiten gibt es ſchon heutzutage in Guatemala so gut, wie
es Jeſuiten und Jesuitengenoſſen in Luzern gab, ehe die förmliche
Berufung des Ordens durchgeſett wurde ; die Einführung der Ge-
sellſchaſt Jesu als einer anerkannten Genossenschaft unterliegt jedoch
in der transatlantiſchen Republik nicht geringeren Schwieriakeiten
als in der europäischen. Die Conſtituirung des Ordens in Guate-
mala war durch ein früheres Geſet vom 3. Juli 1843, wenn nicht
geradezu verordnet, doch wenigstens gestattet, und der universale
Blick der ehrwürdigen Väter entdeckte in der That bald die Gele-
genheit, welche ſich ihnen darbot, ihre Herrſchaft in Centralamerika
durch solide und feste Inslitute zu begründen, und ſich eine Poſition

zwischen zwei Weltmeeren und zwei großen Continenten zu ſichern,

welche nicht blos von merkantilisſcher Bedeutung iſt. Ein belg.i-
ſch e s Ordensmitgalied, der ehrw. Pater Walle, ſchon früher in
Weſtindien ein thätiger Streiter unter den Milizen Loyola's, reiſte
im vorigen Jahre bald nach Erlaſſung jenes günstigen Gesetzes von

Santo Tomas am Golf Amatique aus nach Europa, und begab

ſich geradesweges nach Rom, um mit dem famosen Pater Rothaan
die nöthige Rückſprache zu nehmen, und sich von seinem General
Inſtructionen und Vollmachten geben zu laſſen. Es wurde hier be-
ſchloſſen, in der Stadt Guatemala (einem Orte von beiläufig 40,000
Cinwohner), ein Collegium zu ſtiften, vornehmlich aber in Cen-
tralamerika eine neue Mission unter dem Namen Mission von
Guatemala zu gründen, deren Oberhaupt der genannte belgische
Prieſter sein sollte. Unter den Ordensmitgliedern, welche Befehl er-
hielten, sich mit dem Pater Walle auf jenen Poſten zu begeben, be-
fanden ſich zwei Italiener, ein Deutscher, drei Spanier und meh-
rere Belgi:-r; das kleine Häuflein ſchiffte ſich mit den frohſten Er-
wartungen nach scinem Beſtimmungsorte ein; als es aber dort an-
langte, hatten sich Dinge zugetrazen, welche ihre Ausſichten bedeu-
tend niedriger stimmten. Nicht nur hatte sich unter der Bevölke-
rung eine laute Opposition gegen die Einführung des Ordens gel-
tend gemacht, sondern es war auch im Congresse der Antrag auf
Abschaffung des Gesetzes vom 3. Juli 1843 gestellt und eine Com-
mission über diesen Gegenſtand eingesetzt worden, deren Arbeiten indeß
durch die unruhigen Ereigniſſe des Februars unterbrochen wurden.
Die Regierung aver erklärte, tcot der Einsprache des Erzbischofs
Don Francisco Gracia Pelaez, Metropolitan von Guatemala , das
in Frage ſtehende Gisetz für. votläufig suspendirt, und die inzwischen
in Jzabal angelangten Jesuiten wurden dort züurückgewieſen, und ih-
nen. nur ein proviſoriſcher Aufenthalt im Hafen Santo Tomas ge-
stattet. Der Erzbischof proteftirte gegen dieses Verfahren im Namen
der Freihcit, der Gerechtigkeit, des Völkerrechts, u. . w. ganz in der-
. selben Weise, wie seine Amtsgenoſſen in Frankreich gegen mißliebige
Berschlüſſe des Tuileriencabinets aufzutreten pflegen,
aber begnügte ſich damit, seine Reclamationen an den neuberufenen
ronfstituirenden Congreß zu verweiſen und ihn auf die weise "Entschei-
dung dieser hohen Körperschaft zu vertröften. Diesen ganzen Verlauf
, Hat der Erzbiſchof in einem Hirtenbriefe vom 15. April den Gläubi-
. gen seiner Diöcese des Weiteren auseinander gesetzt und. zugleich er-

ft ſich vor dem Himmel zu demüthigen und inbrünſtig zu Gott
, Um ſeinen Beiſtand zu Volführung des heiligen Werkes, der Ein-
. führung des Jesuitenordens, zu flehen. Indeſſen auch unter der

Heerde des hochwürdigen Don Francisco Garcia Pelaez befinden ſich
. mige räudige Schafe, welche durchaus nicht glauben wollen, daß die

Sache der katholiſchen Kirche und die Sache der Jesuiten identiſch
| ſei, und gegen die Raturalisſirung der Letzteren entſchieden proteſtiren.

: So iſt im Apri . dieses Jahres ein Flugblatt zu Guatemala erſchie-
en mit der Aufſchrift: r'Ein römiſch-apoſtoliſcher Katholik", in wel-
wer das Volk von Guatemala mit dem der ſpaniſchen Sprache so
Wohl anſtehenden feierlichen Pathos beschworen wird, fich reiflich zu
hedenken, ehe es einem Orden das Heimathsrecht gönne, welcher we-

die Regierung

gen seiner verderblichen Grundsätze und Handlungen aus allen euro-
päischen Staaten im vorigen Juhrhundert vertrieben sei und die Bann-
fliche des Papftes Clemens AIV. auf alle Diejenigen gerichtet habe,
die sich der Aufhebung und Vernichtung dieſes Ordens widersetzen
würden. Die Schrift erinnert an mehrere Beispiele jeſuitiſcher Ueber-
griffe in der mexikanischen Geschichte und gibt der Regierung den Rath,
lieber zwei frühere, der Relizion und Gesittung wirklich nütliche Klö-
ſter herzuſtelen, als einen neuen Orden einzuführen, deſſen Charakter
mindestens sehr zweideutig sei. (Weſer- Zeitung.)



Deut9ſchland.

* Mannheim, 9. Sept. Die Gerüchte über einen Mordver-
ſuch gegen den König von Württemberg, der in Meran von fanati-
ſchen Katholiken gemacht sein sollte, beſtätigen sich nicht. Der Cor-
reſpondent der Karlsruherin, der das Gerücht uns zuerſt brachte, hält
es jetzt für die Erfindung eines müßigen Kopfes ; man hatte es an-
fänglich überſehen, inzwischen aber selbſt im Halb-Diplomaten-Tone
fich darüber entsetzt. Manſſollte solche Gerüchte nicht so leichthin geben!

— Unsere Correſpondenz aus Heidelberg, vom 30. Aug. in
No. 239, wonach dort Tags vorher eine auffallende Ruheſtörung ſtatt-
gefunden, klärt sich jezt dahin auf, daß, ihrer Anweisung zufolge,
etwa 16 Mann des Heidelberger Bürgermilitärs durch Abfeuerung
ihrer Gewehre dem jenseits des Neckars aufgestellten Kanonier-Corps
ein Zeichen gaben, damit es den bei einem Feſteſſen im Museum zu
Ehren des Großherzogs auegebrachten Toaſt mit Geschützesſalven be-
gleite. Es wurde nämlich an jenem Tage das Geburtsfeſt des Groß-

“herzogs gefeiert.

Villingen, 2. Sept. (Oberrh. Ztg.) Die zur Auvsfteckung
der Eisenbahnlinie von Offenburg durch das Kinzigthal an den Boden-
ſ?e abgeordnete Commisſion, bestehend aus dem Oberbaurath Sauer-
deck und Bouconducteur Ruoff, befindet ſich gegenwärtig in unſerer

. Stadt und iſt in ihrer Arbeit bereits bis in das Brigachthal vorge-

rückt. Obgleich die Bahnlinie sich über die Sommerau in einer
Höhe von 3000 Fuß über der Meereefläche hinzieht, sollen der Aus-
führbarkeit des Unternehmens dennoth keine unüberwindliche Schwierig-
keiten im Wege stehen, indem ſich die Möglichkeit bietet, dieſe Höhe
mit einer Steigung von 3'/, Procert zu erreichen. Von Offenburg
bis Hornberg soll das Terrain so günſtig sein, wie noch auf keiner
der bis jetzt ausgeführten Bahnstrecken. Von da an aber bis auf
die Sommerau dürfien die Koften der Ausführung ſehr bedeutend
werden, während dagegen von St. Georgen bis Geisingen keine erheb-
lichen Hinderniſſe zu beseitigen sind und namentlich in Erwägung
kommt, daß der Ankauf der Grundstücke sehr wohlfeil sein wird.
Unter solchen Berhältniſſen leben wir der zuverſichtlichen Hoffnung,
daß die Ausführung dieser Bahnstrecke, von der das Wohl oder Weh
tt großen Theiles unſeres gesegneten Landes abhängt, in Bälde
éginnen wird. .
Berlin, 5. September. Unter allen den fär oder gegen die

. proteſtantiſchen Lichtfreunde in den Berliner Zeitungen abgedruckten

„Eingesandtes-‘/ dürfte wohl das, was in der gestrigen ,, Voſſiſchen
Zeitung““ sich befand, am Bemerkenswertheften ſein, weßhalb ich sol-
ches hier, da es wahrscheinlich von den meiſten Lesern der „Voſſi-
ſchen Zeitung““ überseßen werden möchte, wörtlich in Folgendem mit-
theile: „Die einzige beftimmte Richtung, welche der proteftantiſchen
Kirche vorgezeichnet ist, beſteht darin , daß fie keine einer Zeit ange-
hörende Formel als für alle Zeiten bindend anerkennt; die Negation
gegen alles Veraltete macht ihr Lebensprincip, und sobald ein Geiſt-
licher eine Glaubensform als unfehlbar feſthält, geht er zurück in den
Schoos der katholiſchen Kirche. Die ächt evangelische Kirche muß
ſich, wie auch Schleiermacher es wollte, mit jedem Geschlecht ein er-
neuertes Bekenntniß ſchaffen, und in diesem Geiſte handeln auch ſcine
ächten Schüler, welche eben dadurch wahre Chriften sind. Keinen
t; und kein Zeitungskegergericht! Der Geiſt allein
iſt der ewige Richter.“

Berlin, 3. Sept. Von Alexander Schneer iſt hier eine

neue intereſſante Schrift über die Zuſtände der arbeitenden. Klaſsen

in Breslau erschienen. Schneer gibt darin einen völlſtändigen sta-

tiſtiſchen Ueberblick der Arbeiterverhältniſſe dieſer zweiten Stadt un-
Ceres Staates, Das Reſultat deffelben iſt äâußerſt traurig. Es er-


 
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