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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 207 - No. 237 (1. August - 31. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0901

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Baden 2 fl. 8 kr., im
Ausland erhöht fich das
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aufschlag.

Donnerstag

Mannhe imer Abendze itung. z

7. Auguſt

L. Ins er ate diegespaltene
Zeile in Petitſchrift oder
deren Raum 3 kr. IZnse-
rate, worüber die Redak-

Raum 4 kr. ~ Briefe
und Get man

71845.



Rußland.

In einem Tagesbefehl vom 10. vorigen Monats gab der Kaiser
seinen ſtrengſten Tadel kund gegen den Generalmajor Wolodimirow
. und gegen den Oberſten von Lein, weil sie die zur Verabreichung von
Fleiſch und Brod bestimmten Gelder zu andern Auegaben des Regi-
ments (worin diese andern Auegaben beſtehen, braucht nicht erſt be-
merkt zu werden) mißbraucht und überhaupt sich einer großen Sorg-
loſigkeit um das Wohl der ihrem Befehle und ihrem Schutze anver-
trauten Soldaten schuldig gemacht haben, was eine große Menge von
Krankheiten in diesen Regimentern zur Folge hatte. Auf die Empfe h-
lung des Oberbefehlshabers des kaukasischen Corps bat indissen Se.
?»aiserl. Maj. nicht ger u ht (Worte des Tagesbefehls ) den genannten
Commandeurs den Befehl über die ihnen anvertrauten Regimenter
zu nehmen, da ihr früherer langjähriger und eifriger Dienſt zu ihren
Gunften sprach und ihr Vergehen in milderem Lichte erſcheinen ließ.
~– Wer die russiſchen Zuſtände kennt, weiß, was ein solcher Tadel
für diejenigen, welche er trifft, zu bedeuten habe. Höchstens setzt er

ſie auf einige Zeit der öffentlichen Beſchämung aus. Die gemeinen

Soldaten werden aber nach wie vor hungern und siechen, während
die Befehlshaber nur noch mehr dafür sorgen werdcn, daß ihre Hand-
Iungsweise nicht zur Kunde des Kaisers komme. Ja ihre Entfernung
selbſt würde den armen Soldaten keinen Nutzen bringen; denn jeder
Nachfolger befolgt, so lange es angeht, das Syſtem seines Vorgän-

ers. Nur der Name wechselt, das Verfahren bleißt mit wenigen
cab en daſſelbe. Während in andern Lärdern die Moral der
Bewohner , eine wohlgeordnete Verfaſſung, die Liebe zur Freiheit, der
Geschmack für Wiſſenſchaft und Kunſt die Lebenselemente der Regie-

rung und der Bürger bilden, ſind es in Rußland die Mißbräuche

der Verwaltenden, ihre Laſter und ihre Tyrannei, so wie die Furcht
" und der Stumpfsinn der Regierten, welche den monftrösen raſſiſchen
Reichskörper, den man Staat zu nennen belicbt, zusammen halten.

Auf den bleichen hagern Gesichtern der ruſſiſchen Sol aten, in ihren

ſcheuen geiſtloſen Mrenen steht tie Geschichte der Verwaltung und Cul-
tur des Reiches mit ireuern Zügen geschrieben, als in den amtlichen
ſtatiſtiſchen Tabellen und den pompbaften Bekannimachungen der Be-
hörden, die selbſt von heuchelnder Silbſtbewunderung über die Kraft
und die Fortſchritte des Landes stroßgen. Es kommt vielleicht einmal
die Zeit, wo die Völker im Schoße Rußlands zum Selbstbewußtsein
und zum Gefühle ihrer Kräfte erwachen und die Augen öffnen über
den Druck, der so lange auf ihnen laſete. Dann dürfte vielleicht
Rußland nicht allein vor den furchtbaren Krämpfen und Erſchütterun-
gen zittern, welche ein folches Erwachen von rohen Kräften, die sich
entzügeln, zur Folge haben könnte. Eine zweite Völkerwanderung und
eine Urberfluthung von barbarischen Horden, welche die Früchte einer
mehr als tausendjährigen Kultur zerträtev, hat indeſſen Europa nicht
mehr zu fürchten. Viilleicht iſt ihm umgekehrt das schöne Amt vor-
behalten, cinſt die heilſame Macht dcr Kultur und Gcsittung auf die
Gemüther von Völkern zu prüfen, die bis jegt von der Civilisation
nur die vergifteten Früchte, eine ſyſtematiſche S klaver ei, kennen
lernten. (Brem. Z.)



Deutſchland.

_ * Von der Elz, 3. Aug. fchle Wahlmännerwabhlen im nahen
Aemterwatlbezirke Breisach sind vorüber und, wie wir hören, sämmt-
lich (?) im Sinne des Fortſchrittes auegefall n. Wir dürfen also
mit Zuversicht erwarten, daß der schon längft in die Kammer trach-
tende Amtsrevisor G. in Cailsruhe wohl noh nittt feften Sitz erhal-
ten dürfte. Obgleich diescr Candirat, der ſich selbt anirug und sein
durch sein Treiben längft bekannter Freund, Notär K. in Rothwe:l,
kein Mittel unversucht lasſcn, um noch ein paar Wahlmänner durch
die ihnen vorgestellten goldenen Berge zu täuſchen und für sich zu
? zien, ſo glauben wir versichern zu können, daß es sie Nichts

ilft.
_ F° Berlin, 31. Juli. Schlöffel hat urmittelbar nach dem
Schluß dir gegen ihn anhängig gemachten Untersuchung entlaſsen
Werden müssen, denn es hat ſich turch dieselbe herausgertellt, was
fseize ſchleſiſchen Freunde immer behauptet haben, daß keine oder nur

eine sehr geringe Schuld auf ihm lafte. Auch die Hirſchkerger Bauern
ſind entlassen worden, dagegen befindet ſich der Tiſchler Wurm, von
dem die Aussagen gegen diese sowie gegen Schlöffel ausgingen, noch
in der Hausvoigtei. :

Dronke hat auch von H. v. Bodelschwingh einen ungün-
ſtigen Bescheid erhalten. Er soll durchaus als Heſſe angesehen wer-
den und man will durchaus keine Rückſicht darauf nehmen, daß er
sein Indigenat gesetzlich in Anspruch nehmen kann. Er hat daher
auch noch einmal gegen die Antwort des H. v. Bobelſchwingh re-
monſtrirt und wird ſich, falls dies nicht fruchtet, als letzte Instanz
an den König wenden. – Ferner hört man schon wieder von einer
neuen Aueweisung, die einen früher in Stettin ansässigen und auch
daher gebürtigten Literaten, H. Schl ivian, betroffen hat; auch ihm
iſt der fernere Aufenthalt in der Hauptſtadt verweigert worden, und
man sieht daraus, daß die „Erkundigungen“ über die Lebensverhält-
niſſe der hieſizen Schriftſteller fortgesetzt werden, und daß also das
Gerücht von der
Grund war. y

. – (Magd. Z.) Das Coloniſationsproject an der Mosk ito-
k üfte wird auf das Ernftlichſte betrieben. Wenn die Preſſe noch
immer mit Mißtrauen auf das ganze Unternehmen blickt, so liegt
das einestheils in der Natur deſſelben überhaupt, anderntheils stehen
ihr so gewichtige, speciele Gründe zur Seite, welche durch den Com-
miſsionsbericht auf keine Weise beseitigt snd. Der in Rede stehende
Landftrich iſt seit längerer Zeit zum Verkauf geftellt. Ift er nun
wirktich von so großer Bedeutung für Production und Handel, wie
ihn der Commissionsbericht hinftellt, so iſt es doch auffallend, daß
fremde Nationen, welche s<on in Weſtindien Colonien besitzen und
von dort aus die Verbindung mit Central-Amerika auf das leichteſte
bewerkſtelligen können, daß vor allen Dingen das eiferſüchtige Eng-
land nicht das Verkaufsrecht ausüht, daß sie es gelaſſen dulden,
ihren amerikaniſchen Handel durch Niederlaſſang einer neuen Nation
ſpäterhin beeinträchtigt zu sehen. Es müſſen doch unzweifelhaft jene
Nationen durch wichtige Gründe davon zurückgehalten werden. Eng-
land hat in der That schon früherhin Colonisſationsverſuche an der
Moskitoküſte gemacht, die jedoch gänzlich gescheitert ſind. Auch der
Commissionsbericht führt dieselben an, meint indeß, daß die Versuche
welche bieh:r gemacht seien, welche den Ansiedlern zu Theil geworden,
und daß auch diese Veranlaſſung zu den epidemiſchen Krankheiten ge-
geben, welche nach älteren Berichten jeden derartigen Versuch verei-
telt hätten. Der Commſissionsbericht aber, das leuchtet auf jeder
Seite ein, i durchaus einseitig, mit dem allergünftigſten Vorurtheil
für das Project abgefaßt und so kann es nicht Wunder nehmen,
daß er Alles im roſtgen Lichte ſrht.

+ Aachen, 4. August. Gestern hatte ſich ein sehr zahlreiche
Versammlung, meiſt aus den Juſtizbeamten und Advocaten des Be-
zirks bestehend, der aber auch als Ehrengäſte der erſte Präſident
und der Generalprocurator des Rhein. Appellhofes beiwehnten, im
hieſigen Redoutensaale vereinigt, um den 25jährigen Einführungs-
tags, dis wegen seiner Humanität aklgemein verehrten Landgerichts-
präsidenten Hoffmann zu feiern. Nach den üblichen Toaſten auf
den König und den Jubilar, brachten der Advocatanwalt Küchen
und der Handelskammerpräſident Hansemann in begeiſterter Rede
ein Lebehoch auf das Rheinische Recht und auf die Unabhängigkeit
der Richter aus. Während sich die ganze Geſellſchaft hiebei erhob
und auf das Freudigste einſtimmte, blieb nur ein Regierungsrath
und Juſtitiarius bei der hiesigen Regierung, Hr. von F, ſiten
und gab durch Zeichen und Worte sein „Dissentiment- zu erkennen.

Mit Vergnügen sah man ihm gezenüber die begeiſterte Ueber-
einſtimmung, welche Juſtizbeamte und Bürger hiedurch an den Tag
legten. Heute bildet dieser Vorfall, der unzweifelhaft in der gan-
in Provinz die höchſte Sensation machen wird, das allgemeine

tadtgespräch.

v Königsberg, 28. Juli. Am Freitage, 25. wurde ver Statt-
verordrneten- Versammlung die Antwort des Köni.s auf die Adreſſe dr
ſtädtiſchen Behörden mitgetycilt, deren Inbalt zum Th il schon vor-
her bekannt geworden war. Die Versammlung war ſehr zahtreich,
da grrade das neugewählte Drittel d r Mitglieder eintrat, und die

beabsichtigten Literaten - Ausweisung nicht ohne

Vorſtcherwahlen den Beginn der Verhandlungen magthen sollten: leiter


 
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