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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 117 - No. 145 (1. Mai - 31. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0551

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16. Mai

1845







Freitag

Deutschland.

42 Berlin, 10. Mai. Die jüdischen Reformer haben gestern
ihre erſte conſtituirende Verſammlung gehalten, in der sie die Mit-
glieder ihres Comité's gewählt haben. In den hierbei gehaltenen
Vorträgen iſt gesagt worden, daß der Minister Eichhorn sich günstig
über diese Bewegung ausgesprochen habe, indem er geäußert, „daß
er alt genug sei, um eine wirklich religiöſe Bewegung von einer
Sektenſtisftung zu unterscheiden.. Die Reformer haben also nach dieser
Seite hin die beſten Aussichten. Deſsſto schwieriger iſt aber ihr Ver-
hältniß zu den Juden selbſt. Diese wollen Nichts von der neuen
„religiöſen Genoſſsenschaft- wissen, ſie halten es für Thorheit, einen
neuen Gottesdienst aus dem alten längst verjährten Glauben schaffen
zu wollen und werfen den Reformern vor, daß ſie die alte jüdische
Theologie nicht hinlänglich kennen. Und in der That scheint dies
begründet zu sein, da jene es bisher noch ganz und gar an ciner
beſtimmten Angabe ihres Verhältniſſes zu der alten jüdischen Dog-
matik und dem alten Gottesdienſte haben fehlen laſſen und es des-
halb um so unzulänglicher ist, jeut ſchon von einem neuen ,,poſitiven
Glauben“’ sprechen zu wollen. Damit würden sie sich nur in einer
ehen solchen neuen Orthodoxie feſtrennen, wie es einst die deutschen
Reformatoren gethan. Auch muß die Art und Weise, wie ſich einer
der Redner der Versammlung über den Kosmopolitismus der jetzigen
gebildeten Juden ausgesprochen hat, als durchaus bornirt bezeichnet
werden. Wenn die Reform nicht so groß und weit iſt, daß ſie die
volle Bildung der Zeit in sich aufzunehmen und der Kritik derselben

î_ Rede zu stehn vermag, so entſpricht sie auch nicht dem Geiſt der Zeit

und kann alsdann auch nicht darauf rechnen, dic Theilnahme der
Gebildeten zr erwecken. Die Bewegung iſt jedoch so wichtig, daß
ſie hierüber wohl noch hinwegkommen wird. Sie fann überhaupt
erſt dann als consolidirt betrachtet werden, wenn die übrigen Führer
der Reformbeſtrebungen unter den Juden ſich über sie werden aus-
geſprochen und sich in den verschiedenen Gemeinden eine Theilnahme
für dieselbe kund gegeben haben wird. ~ Hr. Stern hat neuerdings
eine Schrift über die gegenwärtige Bewegung im Judenthum, ihre
Berechtigung und ihre Bedeutung herausgegeben, die wieder recht
lebendig und friſch gehalten iſt und sich namentlich sehr energisch gegen
die Indifferenten richtet, man vermißt aber auch hier noch die nähere
Angabe des Inhaltes, den das neue religiöſe Bewußtsein erfassen
und verwirklichen will, die Darſtellung des Verhältnisses, in dem
der Deismus zum Chriſtenthum und der heutigen Geſellſchaft steht.
Nicht Glauben iſt es, was die Zeit verlangt, sondern die Bethäti-
gung des sittlichen Geiſtes, der im Reich des Glaubens nur unklar
angedeutet iſt, sich aus ihm aber zur klaren Erkenntniß entwickelt
hat. Und diese kann uatürlich nur auf die volle Freiheit des Geisſtes
gegründet werden. ~ Cine Gegenschrift „„Woher und Wohin ?‘
gegen Stern von Nr. Caſſel, die ebenfalls hier erschienen ist, iſt
von keiner Bedeutung, da sie nur auf der Apotheose des alten Ju-
denthums fußt und die neuer Bewegung desselben nur mit den Waffen
des Spottes betämpyfe.

+? Berlin, 10. Mai. Gestern früh iſt Edgar Bauer plötlich
verhaſtet und nach der Hausvogtei gebracht worden. Man muß da-
raus abnehmen, daß sein Urtheil in zweiter Instanz geſprochen und

über ein Jahr Gefängniß lautet, alſo wahrscheinlich das der erſten

Inftanz, das ihm 3 Jahre zuſprach, beſtätigt. Dennech iſt dieſe plötz-
lt: Berhaftung etwas Ungewöbnliches. An Fluchtdachte Edgar Bauer
nicht. : i /
u r Die „Spener'sche Ztg." bemerkt in einem längern Aufſage
über die verfloſſene leipziger Meſſe: Um Erfolge zu gewinnen, muß
unsere Fabrikation nicht nur sauber, geschmackvoll, dem Auge wohlge-
fällig, sondern ſie muß vor Allem reell, ſolid und ehrlich
s? in. Wir heben dieſe Cigenschaften mit gesperrten Lettern hervor.
Die diesjährige Meſſe hat von Neuem, und zwar in geſteigertem
Maße, Dinge an den Tag gebracht, die - wenn die Beſchuldigun-

gen wahr ganz geeignet sind, unseren Fabriken das alte Vertrauen
auf ihre Treue und Glauben zu entziehen, und unsere Induftrie in
einen Verruf zu bringen, wobei die Szhuldloſen mit den Schuldigen
u leiden haben. Die nachlässige und unsolive Fabrikation eincr grof-

ſen Anzahl Tuche hat auf dieſer Meſſe den wiederholten und verſtärk-
ten Unwillen aller Käufer erregt. Wenn schon ſehr zu beklagen iſt,
daß so viel schlecht gearbeitele Waare zur Meſſe kommt, so leidet, da die
Fehler offen zur Schau liegen, doch nur der Fabrikant, weniger der Käu-
fer. Aber etwas mehr als zu beklagen, iſt, wenn der Käufer glaubt, ta-
delfreie Waare gekauft zu haben , und er findet zu Hauſe eine schlech-
tere Qualität, verschwiegene Löcher und Riſſe und falſches Ellenmaß!
Solche Uebelſtände, um kein schlimmeres Wort zu wählen, hat, wie
verſichert wird, die dicsjährige Meſſe in bedeutender äinzahl conſta-
tirt, und wir überlassen unſern Lesern, die Eindrücke zu ermeſſen,
welche die fremden Gäſte über unsere Tuchfabrikation mit sich genom-
men haben. Nach der Leipz. Ztg. sind es besonders die -„Finſterwal-
der und Spremberger Tuche ", welche die von der Nachsicht gesteckte
Grenze hinsichtlich fehlenden Maßes überschritten haben. Ein so un-
reeller Zuſtand des Handels ist nicht nur der Ruin unserer National-
wohlfahrt, sondern auch des deutschen Charakters völlig unwürdig.
Wir yaben bereits unsern ſonſtigen Ruf von Solidität und Zuver-
läſſigkeit durch die heilloſe Verschlechterung der Linnen etwas erschüt-
tert, und dadurch mehr eingebüßt, als durch die Maschinen- Coneur-
renz der Engländer. Wollen wir die Tuchfabrikation demselben Schick-
ſale überliefern?

Bonn, 12. Mai. Auguſt Wilhelm von Schlegel iſt heute
Mittag im 78. Lebensjahre verschieden.

Magdeburg, 8. Mai. (H. N. Z!) Wislicenve iſt zu dem

Colloquium vor dem Generalsuperintendenten Möller in Magdeburg,

den Predigern Snethlage in Berlin, Heubner in Wittenberg u. s..w.,
Männern der enisſchiederſten orthodoxen Richtung, nicht erschienen, in-
dem er dieſe Prüfungscommission nicht als seine Behörde anerkannt
hat. Dagegen hat er ſich dem hieſigen Consiſtorium gestelit und iſt
beute zum Colloquium vor dem Geyuzzalsuperintendenten Möller und dem
Obercorsiſtorialrathe Värß erſchtenenz der Juſtizrath Brunnemann
ſsührte ras Protocoll. Die Aufforderung an Wielicenus , ſich einer .
nochmaligen Prüfung zu unterwerfen, hat hier, wie gewiß im ganzen
Regierungebezirk Magdeburg, ja ohne Zweifel auch in Berlin und

Königsberg, die größte Senſation gemacht.

j WVreslau, 6. Mai. (Bresl. 3.1 Am |. Mai fand auch in
Striegau der Zusammentritt einer deutſch-katholisſchen Gemeinde ſtatt.
Auch in Wollau hat ſich eine solche Gemeinde gebildet.

—~ 7. Mai. (Schleſ. Z.) Die nach Ratibor consignirten je-
suitiſchen Tractätlein, Schriften und Medaillen der Erzbruderſchaft
zum heiligen Herzen Mariä, welche man schon seit einiger Zeit er-
wartete, ſind geſtern von der yiesigen Polizeibehörde mit Beſchlag be-
legt worden. Es befinden sich darunter gar merkwürdige Dinge,
welche auf das Treiben der jeſuitischen Propaganda hinreichendes Licht
werfen. ; sj!

Aus Norddeutſchland, 9. Mai. (D. A. Z.) Entschieden
und eindringlich hat das Conſiſiorium zu Magdeburg die Geiſllichen
ſeines Sprengels vor dem Besuche der Versammlung gewarnt, welche
a m Donnerſtag in ter Pfingſtwoche tie proteftantiſchen Freunde zu
Köthen halten wollen. Die Warnung soll so gefaßt sein, daß Viele
ſie als ein förmliches Verbot betrachien würden.

' Wiesbaden . 10. Mai. (Rh. Beob.) Unsern versammelten
Ständen liegt jetzt ein BVorſchltag von Seiten der Regierung vor,
welcher eine wesentliche Modification unseres Gefängnißwesens her-
beiführen und fogar nicht ehne Einfluß auf die Erkenntniſſe der Ober-
gerichte, als urtheilende Behörde in Criminalfällen, bleiben dürfte.
Bisher wurden alle nicht entschieden größere Verbrechen, oder solche,
bei welchen Milderungegründe, wie z. B. große Jugend des Verbre-
chers, bishrrige tadelsfreie Aufführung tc. cintraten, mit Detention
im Korrektionehauſe beſtraft, wobei tie Jahafticten zusammen lebten,
indem dies ſchon wegen Mangel an Raum nicht wohl zu ändern war.
Hier machte man nun die Erfahrung, daß jugendliche Verbrecher und
überhaupt solche, die durch schlechte Erziehung, böſen Umgang oder
andere mehr oder weniger zufällige und unverſchuldete Umftärde die
Bahn des Laſters betreten hatten, gewöhnlich verderbter aus dem
Gefängniß auetraten, als fie einſt in daſſelbe gekommen waren.


 
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