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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 176 - No. 206 (1. Juli - 31. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0783

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Freitag

11. Juli

1845





* Gin Jubiläum.

]0 Berlin, 6. Juli. Wir können keine Volksfeſte feiern,
denn wir haben keine Freiheit der Volksbewegung, dann und wann
geben sich aber auch bei uns Regungen kund, die an die Volksfeste
der Süddeutschen erinnern. So war es am 3. Juli, als in Ti-
voli Dieſterweg’s 25jähriges Jubiläum gefeiert wurde. Es hatten
ſich dazu nicht nur die ihm zunächſtſtehenden Lehrer und die Mit-
glieder der vier pädagogischen Vereine, welche hier beſtehen, sondern
auch Männer aus allen Ständen , selbſt Handwerker und Gesellen
dazu eingefunden. Denn Dieſterweg's Verdienst um die Volksſchu-
len wird auch von diesen gekannt, auch sie wiſſen, daß sein Se-
minar und die Kraft mit der er die von ihm ins Leben gerufene
Richtung aufrecht erhält, den Damm bilden, an dem der Pietismus
in dieſer Sphäre bricht, und daß auf ihm die Hoffnung beruht,
den Untetxicht so frei und rein menschlich emporblühen zu lassen,
wie es Peſtalozzi gewollt und der Menschheit vorgezeichnet hat.
An dieſen wollte daher auch Diefterweg nur die ihm zu Theil wer-
denden Ehren knüpfen lassen, nicht seiner Person, sondern der Sache,
der von ihm vertretenen Richiung, sollte diese Feier gelten. Und
in diesem Sinne ging sie auch vor ſich, nahm aber bald eine sehr
charakteriſtiſche Haltung an, die den Geiſt der Gegenwart auf das
Lebendigſte widerspiegelte. Es waren gegen 500 Personen, die sich
in Tivoli verſammelt hatten, und diese ließen sich zu dem beſschei-

denſten Mahle nieder, das wohl jemals bei einem Jubiläum ein-

genommen worden war. Auch Das war mit Absicht geschehen, da-
mit auch die ärmeren Lehrer daran Theil nehmen könnten. Der
'geiſtige Genuß war die Hauptsache. Dieser ließ auch nicht auf sich
warten. Reden folgten auf Reden. Dieſterweg wurde von allen
Seiten, von den pädagogischen Vereinen, von seinen älteren und
jüngeren Schülern, von den Industriellen und des Schrifiſtellern
begrüßt, und «r selbſt war ebenfalls fortwährend auf der Redn r-
bühne und unerschöpflich in Mittheilungen und Anregungen. Gleich
zu Anfang dcs Festes machte es einen ungemein erfreulichen Ein-
druck, daß mitgetheilt wurde, Dieſterweg ſei am Morgen dieses
Tages von einer Deputaiion der vier Lehrervercine begrüßt und
ihm das erſte Ergebniß der Sammlungen für den Neuhof,
den er im Sinne Peſtalozzi's zu gründen beabsichtigt, für die landwirth-
ſchaftiliche Armenanstalt als Muſteranstalt für Waiſenerziehung, zu
der er an dem Peſtalozzi- Feſte am 12. Januar d. J. den Anstoß
gegeben und für die er seitdem seinen und Prof. Kaliſch's Vortrag
an dieſem Feſte veröffentlicht hatte, in einer Summe von beinahe
800 Thalern überbracht worden, die nun das Stammkapital bildet,
_ das vurch neue Sammlungen vermehrt werden soll. Diese Depu-
tation war die ſchönſte Auszeichnung, die ihm hatte zu Theil wer-
den können. Doch es kam zu noch ernſteren Demonſtra-
tionen. Es trat auch ein jürtiſcher Lehrer auf, der Diester-
„weg dafür dankte, daß er. sein Seminar auch den Juden geöffnet
habe, und dieser ergriff diese Gelegenheit, um die Freiheit seiner
religiöſen Gesinnung auf das Unverholenſte darzuthun. Ja, er
habe auch Juden aufgenommen, sagte er, obwohl die Regierung
dies nicht gewollt habe, denn er könne keinen religiösen Unterschied
bei dem Menschen anerkennen. Das komme ihm, fügte er humoristisch
hinzu, gerade so vor, als wenn man zwischen Preußen und
Baden einen Unterschied machen wolle. (Ungeheurer Bei-
fall.) Nur in der steten Fortentwicklung des Menschengeiſtes beruhe
die Erkenntniß und die Freiheit sei daher deren Grundprinzip. Da-
gegen erhob ſich nun die c<hriſtliche Fraktion, die sich unter den

ehrern befand. Der Direktor des Friedrich-Wilhelms-Gymnafiums
Ranke, der Bruder des bekannten Hiſtorikers und Anhänger des
Ministers Eichhorn, wollte die Entwicklung der Menschheit auf die
vuralten und cwigen Wahrheiten-- der Religion baſirt wissen, er so-
wie seine ganze Partei mußten es aber bald mit Schrecken inne
mnerden, wie sehr ſie in der Minorität waren. Sie wurden total
aus dem Felde geschlagen und zogen es daher auch vor, dasselbe

ich zu räumen. Rantke hatte geſagt, der Lehrer müſſe demüthig





ſein, um seinem schweren Berufe zu genügen. Darauf erwiederte
ir k Dieſterweg sofort, daß es den Geiſt unsrer Zeit gänzlich

4 1 heiße, wenn man ihr zumuthen wolle, demüthig zu ſein,

Nicht Demuth, sondern Muth brauche sie, um zu ringen und zu
kämpfen. Die Freiheit des Selbſtbewußtseins,, deutete er darauf
weiter an, ſei die Baſis, auf der die Pädagogik unsrer Zeit ge-
gründet werden müſſe, und rief dann, bis er abtrat, die anweſsen-
den Schriftfteller auf, dieses Prinzip weiter zu verfechten. Es ge-
ſchah auch von Brüggemann, Nauwerk u. A., doch wäre es kaum
nöthig gewesen, so entschieden war die Stimuang der Versamm-
lung schon nach Diesterweg's Revr. — §



Deutsſchland. ;
* Mannheim, 10. Juli. Neben dem allgemeinen gerechten

Hülfcruf der „Induſtriellen" ertönen jetzt auch die Seufzer einzelner

Landwirthe, Schafzüchter und Gutsbesitzer, welche sich nach Schutz-
zöllen sehnen. So wendet sich gegen die drückende Concurrenz des
Auslands. eine Stimme „-von der Unſtrut“ im Frankf. Journal an
den „großen deutschen Zollverein“, der die „Förderung deutscher Ge-
werbsamkeit ſich direct zur Aufgabe gemacht" habe. Geduldig habe
der Ackerbau bisher „die ho h en Zölle (!) auf ihre Verbrauchsge-
ji! ss! sur. ure Vcigt Dur er ker! Hi
auch der Acerbau dringend mit den Induſtriellen und Gewerben des
deutschen Zollvereins den Wunsch aus]ſprechen: „.ſichert auch uns den
vaterländiſchen Markt, laßt ihn nicht mit fremden Maſſen von Dem
überführen, was wir selber dahin bringen können, und erleichtert uns
den Absatz unsrer Erzeugniſſe ebenſo, wie es denen der Manufactu-
riſten ?c. zu gute kommt." „Gewiß heißt es dann iſt dieser Wunſch ſo bil-
lig, daß es nur darauf ankommen wird, die Aufmerksamkeit der hohen Zoll-

verein-Regierungen darauf hin zu lenken. Da iſt z. B. der wichtige

Flachs b au, welcher ungeschützt Deutschland immer mehr zurückgeht.
Es sind 1843 allein 25,800 Cir. Flachs und Hanf Mehreinfuhr
und zwar völlig zollfrei geweſen. Will man den Flachsbau
wirklich heben, ſo gewähre man einen verhältnißmäßig ſtarken Schutz-
zoll. Wir haben ferner zu leiden von der Ueberſchwemmung mit
Olsackten. Es sind im Jahre 1843 nicht weniger wie 435,458
Ctr. Reps Mehreinfuhr zu der nicht erwähnenswerthen Centralab-

gabe von 1 Sgr. 3 Pf. pr. Ctr. vorgekommen. Es kommt dieſe

Einfuhr aus dem leichter beſteuerter Auslande und drückt die inlän-
diſche Production immer mehr herab. Das ſind nur 2 Artikel, die
durch angemeſſenen Schuß gegen die ausländische Conkurrenz dem
Grund und Boden im Jnlande einen vermehrten Werth, dem Land-
wirth eine ibm nur zu nöthige Unterſtützung geben würden. Da ißt
ferner der Weinbau; auch ihm wird lange kein ausreichender Schug
zu Theil; da iſt ferner Schafwolle, von der 1843 über 30,000 Ctnr.
zollfrei eingeführt worden sind, als wenn der Zollverein nicht
Wolle genug erzeugte. Aber für dieses mühſame Erzeugniß der Land-
wirthſchaft gibt es nicht nur keinen Schutzzoll, sondern es muß der
Ackerbau sozar noch für sein Product einen Ausfuhrzoll entweder
zahlen, oder doch ihn im Preise verlieren, da der frernde Käufer ſtets
mit seinem Gebote darauf rechnet.

Wir gedenken auf diese Frage, die auch als Demonstrationgegen die
Forderungen der Induftrie erscheinen mag, demnächst zurückzukommen.

Karlsruhe, 6. Juli. (Vaterland.) Die Zollvereinscommiſ-
ſäre ſind hier beilammen. Gestern war die erfte Sitzung; die frem-
den Staaten haben ihre Diplomaten hier und es iſt daher aller Welt
Auge auf unsere Sandbüchſe gerichtet, wo es sich zeigen muß, ob
Preußen oder Süddeutschland in Sachſen der Schutzzölle den Aus-
ſchlag gibt.

~ Der Biſchof Kaiser in Mainz hat, um r dem antichriſtlichen
Geiſte einer partei- und verwirrungssüchtigen Zeit den Spielraum
Argwohn, Mißtrauen und Lügen zu verbreiten, möglichst zu entzichen,
in einem Rundſchreiben an die Dekanate und die ſgesammte Geiſtlich-
keit verordnet : „daß vou nun an und künftig in allen Schulen
der Pfarr:ien der Diöceſe vor den Schulkindern kein Unterricht
über Ehehinderniſſe und gemischte Ehen ertheilt, und daher Dasje-

nige, was darüber in dem Katechismus (S. 221 — 222 Fr.
G681 bis 684) gesagt iſt, unberührt bleiben und übergangen, dage-

gen aber dieser Unterricht den Kindern zur Zeit ihrer Entlaſſung aus


 
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