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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 268 - No. 298 (1.October - 31. October)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1141

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3. October

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rate, worüber die Revals
tion Anskunfti zu ertheiles
hat, die Zeile oder deres
Raum 4 kr. ~ Briefe
und “eto erbittet man
ranco.

1845.







Deutſchland.

* * Mannheim , 1. Weinmonat. Im Laufe dieses Monats
werden die Heidelberger Hörsäle für die Wintervorlesungen wieder
geöffnet werden, mit ihnen die Spalten der „Zeitung für Hoch-
ſchulen.. Es erinnert uns Das an die seit wenigen Jahren unter
der wisſsenſchaftlichen Jugend frischerwachte Be we gu ng, an ihr all-
wärtshinarbeitendes Auftreten, an ihre Hauptrichtungen, an obenge-
nannte Wochenschrift – ein Sammelplay der jungen, für den Um-
schwung arbeitenden Kräfte. Von ihr aus ſollte in dichtgeschlossenen
Reihen der Sturm auf die von ter Zeit verworfenen gesellſchaftlichen
Zuſtände unserer Hochſchulen auslaufen.

Das Ringen der Jugend nach Veretlung ihrer Vereine iſt wogyl
der Beachtung werth; ~ mit dieſen Bereinen hängen ganze Lebens-
richtungen zuſammen. Heftiger und rückſichtsloſer, weil erfahrungs-
ſchwächer, hält der Jüngling an dem einmal eregriffenen Gedanken
und seinen Folgerungenz er kann sich auch zum Gipfel des Unrechten
leichter fortreißen laſſene. Daher auf der einen Seite oft tiefes Ver-
ſsunkensein in nichtswürdige Vergnügurgen, zähes Fefthalten an Wi-
derſinnigkeiten, auf der andern innige Gluth für das Hochheilige, für
die Jetztzeit in ihrem Kampfe um Menschenrechte. Lebensrichtungen
werden dadurch bestimmt, und nur kraftvolle Seelen können, sich klar
geworden über die Irrpfade ihres ersten Ganges, muthig zurückkehren.
Darum laßt uns gute Keime pflanzen!

Wir baben gesehen, wie sich der ernste, zur Gegenwart ge-
richtete Theil der deutschen Hochſchüler wegewandte von
hohlem Außenwerk einer aller Lebenszwecke ermangelnden Landmanns-
ſchafterei, von der Armseligkeit ererbten, geiſilos gewordenen Plunders.
Das Lerben sagte ſich von dem verrotteten Todten los: das war
das Erſte. Aber die abgeworfene taube Hülse mußte durch Gehalti-
ges erſezt werden. Der gesinnungs scharfe Kern der Jugend
erkannte, Zweck seiner Sendung zu den PNflegeſtätten menſchlichen Den-
kens sei: auf dem wahren Boden der Thätigkeit seine Kraft zu üben;
sein Strebeziel, voll fârenger Unermüdlichk.it in begeiſtertem Forschen
nach dem Lichte der Wissenschaft, ohne Scheu vor der ganzen Wagthr-
heit mitzuwirken, daß auf Erden der Gottesdienſt der Men-
ſchenbildun g sich gründe. Immer schwebt als Krone des Sieges
vor Augen, den Gcſichtskreis zu weiten und zu hellen, um, erfahren
im Anschauen der vergangenen Dinge, in der Enthüllung des durch
Zeitenferne Verschleierten, die dunkelheranschwebenden Geftalten nnse-
rer kommenden Volksgeschichte enträthſcln zu lernen. Aller Eifer soll
auf Wut zer rz Gegenwart, alle Stärke auf Berei-
jung glücklicherer Zukunft gi wendet werden.

Von ſolcher Andacht will die Schaar der Gegenwart sg l äu-
b igen ihr Herz warm werden laſſen. Sie gedenken aber nicht auf
den Knieen zu liegen, ſondern als muthige Schwimmer sich in den
Strom des Übens zu werfen, zu arbeiten, zu kämpfen. Sie wollen
nicht maulheilig sein, sondern werkheilig. – ~ Güeich fern liegt
ihnen daher auch der inhaltsloſe Tand kindischer Verbindungsſpiele,
gleichſam die Hermannsucht und die Reichsherrlichkeiten eines überleb-
ten Burſchenthums. Die Braut, ,„ um die die Völker einft gefreit,
iſt für die Söhne schier zu alt geworden.“

So betrachten wir den Aufschwung des jugendlichen Geistes.

Er iſt ein Kind der neuen Zeit, er wird sich seine Bahnen machen.
. Das Mehr- oder Minderweitgehen in der Vernichtung des ver-
morschten Außenwerks und der zunftgemäßen Ausſchließlichkeit im
Hochſchulleben halten wir nicht für den einzigen Zweck, nicht für die
Hauptsache. Die sich aber mit dem alten Wuſte herumſchlagen und
deſſen nicht ganz los werden können — Die scheinen uns für den
tÂit nicht reif. Sie haben noch nicht mit der Vergangenheit ge-
„rochen.
Ein Ausdruck der neuen Strebungen soll die Zeitung für
Deutschlands Hochſchulen sein.# Ihr Herausgeber ſtept als
älterer Mann der Gährung ferner, und hat sich daher, unseres Wis-
sens , einige Heidelberger Hochschüler beigeſelt, um seinem Blatts
mehr die Farbe des unmittelbaren Zeithewußisſeins geben zu können.
Bis jegt iſi dieſe Wochenschrift das ſicherſte, wohl einzige Verkehre-
mittel, nm sich andern hohen Schulen mitzutheilen; daher gerade die,
welche mi! den Waffen der Schrift für 1hre Sache fechten wollen.
genöthigt sind, ihre Ansichten in ihr verlautbaren zu lassen.

Als Ausdruck der ganzen heutigen Bewegung an den
Herden der Wissenschaft ~ was diese Zeitung, die einzige der Art
in Deutschland sein will ~ müßte sie nun jeden im Sinne des
Foriſchritts einlaufenden Aufsatz annehmen, um sowohl, gemäß ihrem
Zwecke, keine Kraft, die sich gegen das Alte richtet, verloren gehen
zu laſſen, als auch, um den sich geltend machenden Sondermeinun-
gen über die Art der neuen Cinrichtung Gelegenheit zu geben, sich
darzufiellen und sich gegenseitig zu entwickeln. Trotz dieser eigentlichen

Beſtimmung genannten Blattes, welche dem Gründer desselben wohl

vorſchwebte, handelt die Herausgabe in ganz anderm Sinne, weiſt
zurück und fireicht Mißliebiges. Nur einige Mal iſt sie in ihre
Rolle zurückgefallen. – Wir siud weit entfernt, zu tadeln, daß der
Herausgeber sichtet, grundsätzlich aufnimmt , grundsäulich ausscheidet
~ tine Tageblatt soll Farbe haben, keine „ AlUgemeine Zeitung-- sein.
Dann wollen wir aber auch das Kind beim rechten Namen nennenz
die Täuschung der Hochschulen muß fallen, als ob diese Wochenschrift
ein Sprechſaal sei für alle der Veränderung ihrer Zuſtände zuzetha-
nen Urberzeugungen. Diese Zeitung muß sich bekennen als Das, was
ſie iſt: sie ift nicht mehr der Rahmen, in den fich jede Ansicht ein-
ſpannen kann ~ sie iſt der Aus druck einer Meinungsspal-
tung. Ja, noch mehr! ste iſt wegen ihres Herausgebers nur das
Urtheil über eine Me inungs spaltung. — Ein solches Blatt
kann eigentlich keine Fechterſtellungen annehmen, nicht ausfallen, nicht
Worte der Erbitterung reden, nicht Schmerzensschreie thun, nicht
Sieg rufen ... es kann nur erzählen.

Es gibt nun aber in der That Leute, die, abgesehen davon, daß
ihnen gelehrte Abhandlungen über Gehirnlehre und Pflanzenkoſt in ei-
ner solchen Zeitung nicht behagen – abgesehen davon, daß ihnen
ein rechter Griff in die Gegenwart, Grundftriche über eine zweckbe-
wußte, innerliche Gestaltung der jungen Vereine lieber wäre, als
ewigwiederholte Gedichtchen von „Fuchſen- und „Finken- ~ abge-
sehen davon, daß sie glauben, der Stand, in welchem es gährt,
müſſe zur Verkündung neuer Gedanken sſcine Sendlinge selber ausſchik-
ken + ich sage, cs gibt Leute, die, cinverſtanden mit der Zeitung
für Deutschlands Hochſchulen- über den Sturz des Dageweſsenen,
doch ganz grundverschiedene Ueberzeugungen über den Aufbau ei-
nes neuen haben. Einige wollen nicht immer um das Gestorbene
herum ſchwatzen, sondern die Schilderhebung des Lebendigen erzwek-
ken; Cinige finden auch inn erh alb der Mauern Feinde, gefährli-
cer als die draußen, weil unter der Miene von Mitstreitern. Es
gibt auch Solche, die den Grundsatz auf sein Ae uß erstes bringen
wollen .. . sie haben roch keine Rednerbühne, nm zu ihren Genoſsen
zu sprechen.

Darum sollten die einzelnen Spaitungen selber das Schiffsſteuer
ergreifen, selbſt ſich Wohnungen ihres Geiſtes bauen. In den Rei-
hen ibres eigenen Bannerherrn muß jede Ansicht kämpfrn nicht unter
den Befehlen eines Fremden, der ste führen kann, wohin er will,
und eine Kraft so lange bloß hegt, als sie zu seinen Zwecken taugt.

~ Wir boff.en von Hochſchul-Zritungen in diesem Sinne, daß ffe.

durchdrungener von ihrer Aufgabe, begeiſterter hinausgeben über den
Zank mit Abgelebtheiten, und sclbſt, ohne Vormund, ein kernhaftes
Wort mitſprechen.

Wer dann über einbrechende Zwietracht im Lager der Befreun-
deten klagen wollte, dem antworten wir, daß ein gründliches Rüften,
eine rechte Wappnung für das Wirken nach den Hochschuljah-
ren einzig der Maßſtab der Besteebungen sein muß = eine Einiracht
auf Koſten dieser Rüſtung nur beklagenswerth iſt.

* Mannheim , 2. Okt. Der „Herold“ des Hrn. Profeſſor
Biedermann verkündet uns jetzt, daß die blutige Leipziger Nacht vom
12. Auguſt die „Vorhalle geworden iſt, durch welche
Deutschland, Sachſen an der Spiyze, in das politiſche
Bewußtsein der Nationen einschreitet.! Der betreffende
Artikel iſt iud:ß, neben seinen Sonderbarkrieten , b:ſonders der
Mahnung am Sdhlufſe wegen anziehend genug, um ibn hirr wieder-
zugeben. Er lautet unter der Aufschrift: „Die sächsischen Kam-
mern unter den Augen des Auslandes“ wie foigt:

Bis ji;tzt hat man sich im Auslande, namentlich in Frankreich,
Deutschland vorzugsweise nur unter der Gefſtalt eines Zollvereines


 
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