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Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 58 - No. 86 (1. März - 31. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#0283

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Deutſchlansk.

++ Karlsruhe, 9. März. Die Adreſſe, welche die 2. Kam-
mer in Folge der Motion des Abg. Mathy auf Herſtellung der Preß-
freiheit an den Großherzog zu richten beſchloſſen, lautet wörtlich:
wEin Mitglied der zweiten Kammer Eurer Königlich en H o-
'Heit getreuen Stände hat in ihrer 13. Sitzung vom 20. Dezember
1843 den Antrag auf Herſtellung des freien Gebrauchs der Preſſe
geſtelt und begründet. Zu Prüfung und Begutachtung dieſes An-
trages hat die zweite Kamwer aus ihrer Mitte eine Commission er-
nannt, und von dieser ſich Vortrag erſtatten laſſen, sofort nach ge-
pflogener Berathung in Erwägung, daß unter den Rechten, welche
die verbündeten Fürſten und freien Stätte den Unterthanen der deut-
schen Bundesstaaten zusich ern, der freie Gebrauch der Preſſe ent-
halten iſt nach Art. 18 Ziff. 2 d. der Bundesacte, welcher lautet:
„Die Bundesverſammlung wird ſich, bei ihrer erſten Zuſammen-
kunft, mit Abfassung gleichfsörmiger Verfügungen über die Preß-
sreih eit und Sicherſtellung der Rechte der Schriftſteller und
Verleger gegen den Nachdruck beſchäſtigen- ; daß die badiſche
Verfaſſungsurkunde unter den ſtaatsbürgerlichen und politiſchen Rechten
der Badener ebenfalls die Preffreiheit zusicher t: „§. 17. Die Preß-
sreiheit wird nach den künſtigen Bestimmungen ver Bundesverſammlung
gehandhabt werden-; daß ſtatt dieſer zugesicherten Preßfreiheit noch
immer für alle Druckſchriften unter 20 Bogen das Gegentheil, näm-
lich die Censur beſteht; daß die Ausnahmsmaßregeln, wodurch der Bun-
desbeſchluß vom 20. Sept. 1819 den freien Gebrauch der Preſſe auf
sünf Jahre, und nach deren Ablauf der Bundesbeschluß vom 16. Auguſt
1824 auf unbestimmte Zeit beſchränkte, nicht nux obigen grundgesetzlichen
Bestimmungen zuwiderlaufen, sondern auch bei dem gegenwärtigen Zu-
ſtande von Deutschland jedes Grundes zu längerer Dauer entbehren;
daß das Gesetz vom 28. Dezember 1831, obgleich es mit Rücfſicht
auf die Bundesbeschlüſſe und in verfaſſungsmäßigem Wege erlaſſen
war, denvoch einseitig zurückgenommen wurde, und daß ſilbſt
_ ſolche Beſtimmungen desſſelben, welche in keiner Weise als unver-
einbar mit den Bundesbeſchlüſſen angesehen werden können, außer
Kraft geseßt worden ſindz
_ in Erwägung endlich,
daß die freie Mittheilung der Gedanken durch die Preſſe mit ge-
ſezlichen Bestimmungen über die Beſtrafung des Mißbrauchs
durch die Gerichte als unentbehrlich für die naturgemäße Ent-
wickelung der geiſligen und materiellen Hülfsquellen und Fähig-
keiten ciner Nation, wie auch als nothwendige Garantie der
Verfaſſung in allen conſtitutionellen Staaten Europa's aner-
kannt iſt, und daß die Vorenthaltung derſclben in Deuiſchland
das Ansehen und die Ehre der Nation beeinträchtigt, und in-
dem sie die grundgesctzlichen Rechte der Deritſchen verletzt, nur
Unzufriedenheit zu nähren geeignet iſt, alſo das Gegentheil von
dem bewirkt, was man von ihr erwarten mochte,
in ihrer heutigen 134. Sitzung bejchloſſen, unter Bezugnahme auf
ihre Beschlüſſe von 1833, 1835, 1837, 1839 und 1842, Eure
Königliche Hoheit unterthänigſt zu bitten, Allerhöchſtdieselben
wollen gnädigſt geruphenn.
.1) bei der hohen Bundesversammlung dahin wirken zu lassen, daß
die im Art. 18 der Bundesacte verheißenen Beſtimmungen über
. die Preßfreiheit in Deutschland ins Leben treten und der §. 17
_Hder badischen Verfassung endlich zur Wahrheit werde;
2) dem gegenwärtigen Landtage einen Gesetzentwurf vorlegen zu
.. laſſen, wodurch das Gesetz vom 28. Dezember 1831 über die
Presse, mit den durch die Forderungen der Zeit begründeten
und durch die Bundesbeſtimmungen etwa noch gebotenen Mo-
dificationen, worunter jedoch in keinem Falle die Cenſur und
das geheime Verfahren in Preßſachen begriffen sein können,
wieder hergeſtellt wirdz î y. t
; „13) „bis dahin aber Mittheilungen über Landesangelegenheiten von
" jeder Censur zu befreien.
Vir bringen diesen Beſchluß der treu gehorſamſten zweiten Kam-
mer in tiefer Ehrfurst zu Eurer Königlichen Hoheit aller-
höchſten Kenntniß. .

++ Vom Neckar, im März. Schweizer Wirren. Dieser
seit Jahren feſtgehaltene Ausdruck iſt sehr bezeichnend. Wenn Par-
teien ohne eigentlichen Krieg in ſtetem Ringen um die Staatsgewalt
begriffen ſind, uud wenn dieselbe Partei mittelſt Staatsſtreichen hier
ſiegt,. dort unterliegt, und am Ende wohl eben dort wieder siegt, wo
ſie erſt unterlegen war, oder umgekehrt, so erscheint kein die Geschichte
leitender und beherrſchender Gedanke, sondern die wechselnden Erfolge

bilden einen Wirrwarr, welcher denn am Ende nur von Außen Ge-

setze empfangen wird(?). Da sieht man deutlich den Unterschied zwi-
ſchen jenen ſchweizeriſchen Gährungen und der großen französischen Re-
volution. Letztere fand in den s. g. Menschenrechten gleichſam ihre
Gesetztafeln, die unter Blitz und Donner vom Sinai herabkamen, und
war im Ganzen nicht unähnlich einem starken Gewitter, welches die
Luft reinigt und fruchtbar wird. Die ſchweizeriſchen Gährungen be-
saßen bisher weder jene Fruchibarkeit, noch jene Klarheit über Ur-
sache und Ziel. Es lag kein Gedanke zum Grunde, welcher das ganze
Schweizervolk zu seiner Ausarbeitung hätte vereinigen können. Das
Wort Wirren wird nach pfälziſcher Mundart Werre ausgespro-
chen, und erlangt so in hieſiger Mundart eine Zweideutigkeit, welche
sehr angemessen ſcheine. Unter Werre verſteht nämlich der Pfälzer
jenes, gryllotalpa genannte, häßliche und schädliche Insect, welches
dem Namen nach etwas Unentſchiedenes, ein Mittelding von Grylle
und Maulwurf iſt. So etwas Mißfälliges, Schädliches und Hal-
bes waren die seitherigen Schweizerwirren. :

Erſt seit der letzten Zeit, seit der Jeſuitenfrage, ſtehen die Parteien
einander bewußter entgegen. In religiösen Fragen iſt der Deutſche,
ſowie der germaniſirte franzöſiſche Schweizer, besſer zu Hauſe als in
rein politiſchen und staatsrechtlichen. Der ganzen Sachlage nach ijſt
daher nicht zu zweifein, daß die jüngſte Umwälzung im Waadtlande
die Jesſuitenfrage keineswegs blos zum Vorwand hatte, wie man
glauben machen möchte. In dieser Sache, religiös- philosophisch ge-
nommen, weiß das Volk wirklich, was es will, es will die Ver-
finſierer der Vernunft, die Betnechter der innerlichen Glaubensfrei-
heit ſich vom Leibe halten. Demnach haben die eigentlichen Schwei-
zerwirren ein Ende genommen und hat ein sſchweizeriſcher Bürgerkampf
begonnen für Vernunft und Glaubensfreiheit. Werden die Jesuiten
nicht bald das Feld räumen, ſo iſt ohne Einmischung der auswärti-
gen Mächte ein Bürgerkrieg dic nothwendige Folge. Diese Einmen-
gung iſt aber, zu ier Schweiz Glück, gewiß. Es läßt ſich da-
her erwarten, daß die Schweizer klug genug seien, ihre Hite
zu dämpfen und die auswärtige Einmischung zu vermeiden.
Sicher wird endlich ein günſtigerer Augenblick zu Ausführung ihres
Vorhabens erscheinen. Es nahet auch im übrigen weiten Deulsſch-
land immer deutlicher eine religiöse Kriſe. Leicht dürfte in wenigen
Jahren, ohne einen Tropfen Blut zu vergießen, durch dic Katholiken
ſelber ins Werk gerichtet werden, was jetzt nur durch Krieg und Ge-
waltthat aussührbar wäre. Nur im Falle der Schweizer seine reli-
giös - politiſche Sache ganz aufgeben würde, wäre ein Zurückſinken
in den alten, einem Delirium ähnlichen, wirrenhaften Zuſtand zu
gewärtigen.

§ Darmstadt, 6. März. In dem heute herausgegebenen 10.
und 11. Heſste des Commentars des Großh. heſſiſchen Strafgeſetzbuchs
von I). Breidenbach iſt mit Hinweisung auf die bekannte Unterſuchungs-
ſache gegen den Gemeinderath Ernſt Cmil Hoffmann wegen angeb-
licher Wahlbeſtecjung der Grundsatz ausgesprochen worden, taß ein
in Unterſuchung Stehender nach Ablauf der Verjährungszcit Freiſpre-
chung nicht verlangen könne. Dieser Satz iſt durch die einzige Be-
hauptung zu rechifertigen versucht worden, daß Freisprechung nur so
lange begehrt werden köune, als Berurtheilung möglich sei. Dieser
Sag iſt aber durchaus unrichtig, ja sich ſelbſt widerſprechend, da eine
Freisprechung und Verurtheilung im besondern Falle nach den vorlie-
genden Verhältniſſen nie zugleich real möglich sein kann. Die Wahr-
heit iſt aber dieſe: Der Richter muß freiſprechen, sobald die vom
Gesctze unterſtellten Bedingungen der Straflosigkeit gegeben sind, venn
was das Gesetz in hypothesi feſt setzt, das muß der Richter in ihesi,

d. h. im Falle des wirklichen Eintritts der vom Gesetze unterſtellten
Bedingungen aussprechen. Die Freiſprechung iſt Ausſpruch der im

Gesetze schon in hypolhesi ausgeſprochenen Strafloſigkeit durch den

Richter in thesi.


 
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