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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 1 – No. 30 (1. Januar – 31. Januar)
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nA

bittweise geltend. Es handelt sich auf dem eben eröffneten Landtage

um wichtige Intereſſen des Privatrechtes und der persönlichen Frei-
heit. Bei Erörterung der voraussichtlich am Meiſten streitigen Fragen
wird es nicht sſo wohl auf juriſtische Gelehrsamkeit, vielmehr auf die
Gesinnung und zwar auf die treue Darlegung der Gesinnung des
Volks ankommen, das, ohne das Unzweifelhaft-Beſsere zurückzuweisen,
an dem Guten festhält, das von ihm erprobt iſt. Das Organ die-
ser Gesinnung zu sein, ist noch einmal, Mann des Volks, Ihre

Aufgabe, vor der Sie, wir hegen die feſte Zuversicht, nicht zurück-

treten werden. Bei Ihrer endlichen Entſchliesung werden Sie in
Erwägung ziehen, daß es in dem bescheidenen Maß der den Bür-
gern dieses Landes verliehenen Rechte nicht begriffen iſt, in Hinsicht
allgemeiner politischer Interesſen Petitionen an die Regierung oder
Stände gelangen zu lassen, und daß daher das Land eine abermalige
Vermirlderung der wenigen freien und selbſtſtändigen Organe in der
Kammer um so schmerzlicher empfinden müßte. Was auch der Er-
folg Ihres Wirkens sein möchte, in den Kammern freilich müſſen die
Stimmen gezählt werden, sollte diese Zählung, wie wir nicht hoffen,
gegen unsere Interessen ausfallen, die öffentlche Meinung wird dann,
so weit sie laut werden darf, die Stimmen wägen.
Mit Hochachtung zeichnen
Rheinheſſen im Dezember 1844.
Ihre Mitbürger:
(Folgen über 500 Unterschriften].

Leider konnte dieſe Adreſſe Herrn Brunck nicht beſtimmen, von
ſeinem Vorsatze abzugehen. Er gab motivirte schriftliche, aber ver-
neinende Antwort. Wie wir hören, wird nun nächstens in der zwei-
ten Kammer in Darmſtadt sein Entlaſſungsgesuch zur Berichterſtat-
tung und zur Diskussion kommen. Vielleicht, daß dann die Kammer,
welche hierin souverain iſt, sein Gesuch ablehnt und so dem Volk
ein tüchtiger Mann gerettet wirv. Wenn auch nicht zunächst Bruncks
Wünſchen gemäß, würde er dann doch gewiß nicht zögern, seine Mis-
ſion als Abgeordneter neu zu übernehmen und mit Jünglingskraft
auszuführen.

Stuttgart, 8. Jan. (D. A. Ztg.) Gewaltigen Stoff zu
zweischneidigen und entgegengesetzten Urtheilen gibt in unserer Residenz
der Schritt, welchen einige Prediger, worunter namentlich Stadtpyfar-
rer Schwab und die beiden Diakonen Knapp und Dettinger, auf der
Kanzel gethan haben, indem sie die Aeußerungen des zum ordentli-
cen Prof. der Aeſthetik in Tübingen creirten Dr. Vischer, welche
er in Betreff der positiven Dogmen des Chriſtenthums in seiner Jnau-
guraldisputation machte, feierlichſt verdammten und ihren Zuhörern
als einen gottloſen Krieg gegen den chriſtlichen Glauben bezeichneten.
Offenbar hat die Regierung einen richtigen Takt bewiesen, daß sie
diesen geiſtesfreien und genialen Docenten endtich zum Rang eines or-
dentlichen Profeſſors erhob, denn jedes Gewicht bedarf eines Gegen-
gewichtes; und da auf unserer Landesuniverſität die philojophische
und die beiden theologischen Facultäten so sehr mit pietiſtischen und
ultramontanen Elementen geschwängert sind, daß die Uebergriffe dieser
Parteien sich selbſt im Staat und bei der jungen Generatian fühlbar
machten, so bedurfte es wohl einer Opposition gegen solche Reaction
im Schooſe der philosophischen Facultät, zumal va wir hoffentlich auf
dem Standpunkte der Aeſthetik den Grundsatz bekennen, daß die schö-
nen Künſte Selbſtzweck und ihre eigne höchſte Norm ſind, nicht aber
die Mägde der Theologie und des Glaubens. Ein Professor der
Aeſthetik kann unbeschadet der chriftlichen Dogmatik ein Philosoph, ja
ein Heide sein; aber umgekehrt taugt ein christlicher devoter Aestheti-
ker nicht immer zur Beförderung der ſchönwissenschafttichen Erkennt-
niß. Mag es daher immerhin sein, daß Prof. Vischer ſich allzu
schneidender Ausdrücke bediente, vielleicht getrieben durch Opponirun-
gen und Gegensätze: so ſteht doch zu erwarten, daß er, als Mann
von Kopf unv Herz. ſich selbſt zn mäßigen und die Verhältnisse zu
beachten im Stande sei; man durfte voraussetzen, daß seine Stellung
und der natürliche Einfluß, den die allgemeine Stimmung ſeiner Col-
legen und vieler Zuhörer auf ihn machen muß, ihn in den gehörigen
Schranken gehalten haben, ohné daß es der unbefugten Einmischung
von ſtuttgarter Predigern bedurft hätte, deren Sendung eine ganz
andere iſt, und die ja toch wohl von ihren Kanzeln herab nicht auf
die Studentenwelt einwirken zu können hoffen dürfen!

K Füln, Mitte Januars. Die Maßregeln gegen die
beabsichtigte Gründung des allgemeinen Bildungs- und Hülfs-Vereins
hat alles Intereſſe der Politik und dem auf den 9. Februar in Cob-
lenz anberaumten Provinzial-Landtage zugewandt; die Notabilitäten
der Stadt haben sich über folgende Petitionen an den Landtag ge-
einigt: 1) für Reichsſtände; 2) für Preßfreiheitz 3) für Oeffentlich-
keit der Ständeversſammlungen; 4) für Juden-Emanzipation. – Der
Deputirte für Köln (Camphauſen) wird den Antrag auf Verlci-
hunz von Reichsſständen zu dem seinigen machen und meotiviren.
Uebrigens werden aller Orten Petitionen vorbereitet. Das Volk will
die Öelegenheit ergreifen, Act darüber zu geben, daß es sich für

‘deres erwidert, als daß dieſ

Reichsſtände vollkommen befähigt und reif hält, und keineswegs zu
einer Berzichtleiſtung auf dieselben gesonnen iſt. .

(69) Elberfeld, 15. Januar. Der Bericht Ihres Correspon-
denten über die hiesigen Separatiſten bedarf einer bedeutenden Berich-e
tigung. Diese neue Gemeinde, welche bereits 600 Glieder zählen
soll, iſt das Entgegengesetzte von dem Verein der „Freien“' in Ber-
lin. Ihre Lehre iſt die höchſte Potenz der Gnadenwahl. Diese Se-
paratiſten halten sich für die Auserwählten des Herrn. Sie haben
ſich von der reformirten Gemeinde getrennt, weil ihnen die Kirche
in ihrer jetzigen Form nicht chriſtlich genug iſt, weil die Geiſtlichen
ihnen nicht fromm und orthodox genug sind. Aus diesem Grunde
nehmen fie auch an dem Abendmahl keinen Theil und lassen ihre
Kinder nicht taufen, oder warten vielmehr mit der Taufe, bis ihnen
von der Regierung die Beſtätigung ihrer Secte und die Wahl eines
eigenen Geistlichen aenehmigt sein wird.

Der unſelige Geiſt des Pietismus scheint übrigens immermehr aus
unserer Stadt zu weichen, wie sehr auch die Geiſtlichkeit alle ihre
Kräfte zuſammennimmt, um ihre alte Macht zu erhalten. Der welt-
liche Sinn hat die Uebermacht bekommen; Theater, Concerte, Bälle,
Maskeraden folgen jetzt hintereinander, und find die Elberfelder end-
lich so klug geworden, einzusehn, daß erlaubte Vergnügungen nach
den Tagesgesſchäften viel beſſer seien als Kaſteinng. Indeſſen regt sich
doch hin und wieder noch das frömmelnde Element. So iſt z. B,
durch die Polizeibehörde die Aufführung von Frierrich's. „Er geht
aufs Land‘? verboten worden, welches Luſtſpiel bekanntlich die Fröm-
melei scharf geißelt. ~ Auch in politischer Beziehung fängt es an
sich hier zu rezen, und würde das Interesse durch eine gute Zeitung
noch geſteigert werden. Die Barmer Zeitung möchte wohl, kann
aber nicht, die hiesige aber will nicht, und so muß man sich an die
auswärtigen Blätter halten , von welchen außer der Kölner Zeitung
die Ihrige und der „Sprecher“ wohl am Meisten gelesen werden. ~

> Berlin, 12. Jan. Nach dem Statuten-Entwurf der in
der Generalverſammlung vom 9. vom Comité des hiesigen „Lokal-
Vereins zum Wohl der arbeitenden Klassen“ vorgelegt wurde, sollte
ein Vorſtand von 9 Mitgliedern und eben so viel Stellvertretern über
dem Ganzen stehen und die Einrichtungen treffen, welche in den Be-
zirken ins Leben treten sollen und in diesen sollten wieder die 20 Be-
zirksvertreter alle Gewalt haben, die Bezirksſitzungen leiten, und die
Mitglieder nur in "., jährlichen Versammlungen den Bericht derselben
entgegennehmen können. Cbenso sollte die Generalverſammlung tur
dazu da sein, den allgemeinen Bericht des Vorſtandes anzuhören. Hier-

f.

gegen erhob sich nun allgemeine Oppoſition und es wurde das Amen-
dement gestellt, daß die Bezirksversammlungen wöchentlich sein sollten.
Der Hauptredner welcher dasselbe vertheidigte, D. Schmidt, ſ|tellic
mit Wärme und überzeugender Klarheit dar, daß der Verein sich
den Lebensnerv nicht abſchneide, wenn er die Bezirksverſammlungen
mehr zur Baſis seines Wirkens mache. Es komme darauf an, mit
dem Volke in unmittelbare Beziehung zu treten, sich von seinem

tande zu unterrichten und ſich mit ihm über die Mittel zur

Notßzzuſi
... Die Scheißewand welche uns jett

Abhülfe desselben zu berathen.
von dem Volke trenne, müſſe fallen, ja wir hätten sogar zunächſt
noch die Aufgabe, dem Volke das Mißtrauen, welches es gegen die
Vereine habe, weil ſie sich ihm nicht eben frei genug hingeben, zu zer-
ſtören und ihm Bertrauen zu seiner Sache einzuflößen. Von einem
andern Redner, dem Schriftſteller Eichholz, wurde geradezu gefragt,
ob man denn fürchte, daß aus diesen Verſammlungen Jakobinerclubs
werden würden. Hiergegen wurde nun von dem Comité nichts An-
ſe Versammlungen die Bestätigung des
Vereins verhindern und somit die Eriſtenz deſſelben gefährden wür-
den. Man solle sich daher lieber an die „Einrichtungen“ halten, und
den Zweck der allerdings auch von dem Comite für gut, sogar für
nothwendig erachtet würde, auf dieſem Wege zu erreichen suchen.
Man folle die Bezirkssitzungen in dem Sinn der geforderten Verſamm-
lungen zu gesalten suchen, dann fönne man nach Ablauf eines Jah-
res die Statuten ändern und die Versammlungen zum integrirenden
Theile des Vereins erheben. Gegen diese Anſicht, welche vorzüglich
von Brüggemann vertreten wurde, obwohl er wie er ſelbſt sagte, im
Herzen den Radikalen beiſtimmte, wurde geltend gemacht, daß man
nicht von der W Ukür der Polizei abhängen, sondern gleich von vorn
herein geseßmäßi,ze Formen haben wolle, in denen der freie Geist sich
ungehemmt bewegen könne. Es half nichts, daß der Bürgermeiſter
Nannyn das ganze Gewicht des Comité's in die Waagschale zu lezen
suchte, daß er damit drohte, daß dieſes sich auflösen würde, falls
man auf der Abſtimmung beſtehe, diese wurde dennoch ſtürmiſch und
mit Recht gefordert; die Abſtimmung ergab indeſſen eine Minorität
für die Radikalen, und diese mußten ihr Amendement zurückziehen. :
(Schluß folgt.) -
Hauover, 12. Januar. (D. A. Ztg.) Der König hat ei- [
nen erhöhten Pens ionstarif sür Unter offiziere und Mann-
schaf t en der Armee eingeführt. Die Verordnung sagt, dic allmälig
eingetretene und ferner zu erwartende Verminderung der Gesammt-
 
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