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Mannheimer Abendzeitung — 1845

DOI Kapitel:
No. 238 - No. 267 (1. September - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1116

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seine „tiefe Ueberzengung-- dahin aus, daß die Gemeinde-Ordnung

vom 23. Juli d. J. den Gemeinden keine Selbſtſtändigkeit gewährt,
den Bürgerſinn nicht fördert und mit den Zuftänden der Provinz

im Widerspruch steht, daß mithin durch dieses Gesetz die Abficht des
Königs nicht erreicht sein könne und den Bedürfnissen der Provinz nicht
entsprochen ift ; sie bitten dann speciell um die nöthigen Modificatio-
nen. — Es ſteht zu erwarten, daß viele ähnliche Petitionen in Ber-
lin einlaufen werden. Werden ſie Abhülfe bringen k?

Karlsruhe, 22. Sept. (Schwäb. M.) Dem Vernehmen
nach werden unsere Kammern in zwei Monaten zusammentreten. ~
Von allen Seiten wird um Abhaltung einer Synode bei der erzbi-
ſchöflichen Curie ~ bis jetzt vergeblich ~ nachgeſucht. Auf dieser
Synode würde wohl hauptsächlich Abſchaffung des Cölibats, Abän-
derung des Bußſakraments und Einführung der deutschen Sprache er-
ſtrebt werden sollen. ~

Die Soumisſsion der fünf für die hiesige Stadt konkurrirenden
Gasbeleuchtung s - Gesellſchaften ſind nunmehr eröffnet und ihre
Angebote berechnet, wonach eine engliſche Geseilſchaft die meifte Aus-
ſicht auf den Zuſchlag haben dürfte, wenn einige Nebenbedingungen
noch ins Reine gebracht werden können. Wir haben demnach Hoff-
nung noch im Laufe des nächften Jahres, wenn kein weiteres Hin-
derniß mehr eintritt, unſere Stadt mit Gas beleuchtet zu sehen. ~
Ueber die Ernte hört man auch bei uns manchfache Klagen. Die
Kartoffelkrankheit will man auch in einigen Diſtrikten unserer Um-
gegend wahrgenommen haben.

X Heidelberg, 25. Sept. Hier durchreiſend wurde ich zu-
fällig Augenzeuge einer Erſcheinung, deren Eindruck auf mich ich der
Oeffentlichkeit zu übergeben mich gedrungen fühle. Durch die Güte
meines Gaſtwirthes wurde ich in eine öffentliche Bürgerverſammlung
eingeführt, in welcher eine große Anzabl hiesiger freiſinniger Bürger
über die vorzunehmende Wahlmänner-Wahl für die bevorſtehende De-
putirtenwahl ſich berathſschlagtenn. + So wohlthuend für mich
shon der Anblick einer freien ſelbſiſtändigen Bürgerverſamm-
lung war, so wurde doch dieser Eindruck noch geſteigert durch die
Haltung, welch: sich die Versammlung selbſt gab. In ſchlichter un-
gekünſtelter aber aus überzeugtem Herzen kommenden Worten setzte
ein Bürger die Wichtigkeit der bevorſtehenden Wahl nicht blos für
die Stadt sondern fürs ganze Land auseinander und ermahnte die
verſammelten Urwähler, dieser Wichtigkeit, eingedenk ihrer Pflicht, sich
zu entledigen. Der eine oder der anbere Bürger machte nach ihm
ebenfalls ſeine Ansichten geltend; gewöhnliche Handwerker, ja was
noch erfreulicher ift, sogar einfache Landleute zeigten eine Theilnahme
und ein Sympathie für diese öffentliche Angelegenheit, die mich wahr-
haft begeiſterte. – Vermehrt wurde der Eindruck der Reden, durch
die Vorlesung eines die Wahlen betreffenden Abschnittes aus einem
hieſigen Volkskalender *), welcher besonders hiesige Wathlverhältnisſse
in ſummariſcher Weise berühren soll. – So denn wurden der Ver-
sammlung im Einzelnen Wahlmänner vorgeschlagen oder zur Debatte
ausgesetzt, meiſtens aber mit lautem oft von treffenden Anmerkungen
begleitetem Zuruf angenommen. – Und endlich fand das Gefühl, das
die ganze Versammlung beſseelte, einen Ausdruck in der Abſinzung
zweier Lieder, deren eines zu Ehren des hiesigen erſten Bürgermei-
ſters, mir unter dem Namen Vater Winter bekannt gemacht, geoichtet
iſt. Ich fühlte mich an dieſem Abend ganz heimiſch im lieben Ba-
den. Unwiverfſtehlich drang sich mir aber die Bemerkung auf, welch
ſittlichen Einfluß die Freiheit ausübe. – Es war nur ein kleiner
Aet bürgerlicher Selbſtſtändigkeit, aber die ernste würdige Haltung
und die moraliſche Kraft dieser kleinen Versammlung gab mir ein
Bild von der Macht eines freien und selbftſtändigen Volkes.

Ein Deutſcher aus Köln.

!) Let ki hs fa itt t! Ös ! e:! c [t hee t Vuthesen cite:
mannsgebetsverſuchen, empfehlenswerthen Haltung zu tg wersry
Kenzingen, 23. September. (Oberrh. Ztg.) Man ſollte bei-
nahe glauben, in unserer an der Elz liegenden Amtsſtadt Kenzingen

gebe es gar Nichts zu klagen, denn in allen Orten unseres Amtsbe-

zirks ſind die Ruggerichte bereits abgehalten worden, nur unsern Bür-
gern wurde dasselbe seit Jahren vorenthalten und noch iſt keine Aus-
ſicht vorhanden, zu deſſen Abhaltung zu gelangen. Wir wissen nicht,
warum man ein uns so wohlthätig geſchildertes Inftitut im-
mer weiter hinausſchiebe, da ſo Vicles in unserer Gemeinde dadurch
seine Erledigung finden soll. Werfen wir einen Blick auf die in neue-
ſier Zeit in unserer Gemeinde vorgefallenen Dinge, auf den Gang
unſerer öconomiſchen und polizeilichen Gemeindeverwaltung, betrachten
wir vie auf dem Papier befindliche Oeffentlichkeit unſerer

Gemeinde-, Canal-, Wäſſerungs-, und die von einem früheren Ver-
rechner ſo ordnuungsmäßiz geführten Zehnt-Rechnungen, abgesehen von .
noch hundert andern minder wichtigen Fällen, und unser Wunſch wird

gerechtfertigt sein.
(z Be: ! Niederrhein, im September. Vor langer Zeit

© 37776

berichteten die Tageblätter, daß der Kammergerichts - Referendar
Stieber unter falchem Namen in Schlefien, zur Ermittelung „hohe
verrätherischer Umtriebe", Spionerie getrieben habe, weßhalb seine
Collegen bei der vorgesegten Behörde erklärt hätten, mit Jenem nicht
mehr dienen zu wollen. Endlich bringt in diesen Tagen die „Magd.
Ztg.-- einen halboffiziellen Artikel, welcher aber im Schsitte der ganz
offiziellen, berichtigend Alles lobet, was St. vornahmz namentlich
auch den Umstand, daß derselbe im hirſchberger Thale und ander-
wärts unter rfalſchem Namen.. auftrat. Wir überlaſſen es dem
Leſer, ob er dem Lobe beiſtimmen, oder sich dagegen verwahren
will. Wenn auch Stieber polizeiliche Funktionen ausübte und noch
ausübt, also überhaupt eine Thätigkeit entwickelt, die ſich für den
Richtecſtand nimmer ſchicket, so billigen wir das Herumſchleichen
unter falschem Namen doch nicht. Hätte selbſt kein Einſchleichen
und Aufdrängen, wie es früher vielfach behauptet wurde, ſtattge-
funden, worüber wir von dorther genauerm Auſschluſſe entge-
genschen, so verdienet dennoch das Spähen unter falſchem Namen
scharfen Tadel. Wir können kein Vertrauen zu Dem fassen, der sei-
nen Namen so wenig achtet, daß er denselben zu verleugnen oder
zu fälschen vermag. Eine richterlich e Person darf sich wahrlich
am Wenigsten jesſuitisſchen Grundsätzen hingeben. Wenn wir berufen
wären, die Ausmittelungen eines solchen Menschen zu richten, wir
würden, aus Gründen der Gewiſſenhaftigkeit ſowohl, als um der
vielen traurigen Ereignisse willen, welche Inquirenten unter dem
Schutze des geheimen Verfahrens herbeiführten, gezen den Inhalt
der bezüglichen Akten ganz besonders mißtrauisch sein.

* Berlin. In der „Haude und Spener’"ſchen Zeitung-. lieſt man
folgende Erklärung: r-Das Leipziger Tageblatt enthält in Nr.
260 über die Sitzung der ſächsiſchen hohen Ständeverſammlung vom
15. Sept. einen Bericht, in welchem einer dort gegebenen Darftel-
lung über das Wesen und Wirken der proteſtantiſchen Freunde
gedacht wird. Aus dieser Darſtelung hebt der Referent
des Tageblattes unter anderem wörtlich heraus , daß rein
einer Verſammlung zu Halle am 6. Auguft von einem Wort-
führer derselben behauptet worden sei: Da man einmal gegen
das Prinzip alles Autoritätsglaubens sci, ſo müsse man auch den
letzten Reſt desselben, den Glauben an Chriſtus, aufgeben.#1 Unter
Berücksichtigung des Umstandes, daß von den Rednern der lettgedach-
ten Versammlung augenblicklich Niemand in Halle anweſend iſt, er-
achten es die Unterzeichneten im Intereſſe der Sache und jener Spyre-
cer, ſo wie als Theilnehmer der erwähnten Zusammenkunft als eine
heilige Pflicht, jetzt schon feierlich und auf das Allerbeſtimmteſte zu
erkliren, daß eine Aeußerung wie die oben angeführte, weder. den
Worten, noch dem Sinne nach ſtattgefunden hat. Sie berufen ſich
für die Richtigkeit ihrer Aussage auf das Zeugniß der vielen Hun-
derte, welche jener Verſammlung beigewohnt haben, und überlaſſen
nun zunächſt den geeyrten Rednern selbſt, namentlich den Herren Prof.
Dr. Duncker, Diaconus Hildebrand t und Licenciat Dr. Sch warz
in Halle, so wie den Herren Predigern Fu bel in Domnitz, Hil-
denhagen in Guetz, Uhlich in Pömmelte, und Dr. Zschie sche
in Doſel die weiteren Schrittte einem Verfahren gegenüber, welches
hier die tiefâe Entrüftung hervorgerufen hat. Halle, den 19. Sep-
tember 1845. Dr. Weg ſcheider, Profeſſor der Theologie und
Senior der Univerſität Halle. Hase mann, Diac. z. U. L. F. Dr.
Guſtav Schwetſschke, Buchhändler und Buchdruckcreibesitzer.

~– Es hat ſich auch hier ein Verein aus achtbaren Bürgern
gebildet, der Holz, Torf, Kartoffel u. dgl. m. im Großen
ankau fen und dieſe Winterbedürfnissſe den Armen zu be m
Cinkaufspreise ablaſſen will, da man besorgt, daß dieſe Begen-
stände im bevorſtebende Winter im Preise ſteigen könnten. ~ Dem
Literaten Feodor Wehl iſt hier vor einigen Tagen das richterliche
Erkenntniß wegen Majeſtätsbeleidigung, welche man in ſeiner zu
Hamburg erſchienenen kleinen Schrift: „Der Teufel in Berlin®
findet, publicirt worden. Dasselbe lautet auf 9 Monat Feftungs-
arreft. Wehl wird das Rechtsmittel der Appellation in Anspruch

nehmen. L.
Verlin, . Sept. (Rh. Beob.) Aus der zuverläsſigſten

Quelle kann ich Ihnen mittheilen, daß der König unterm 15. d. M. '

dem bisherigen Cabinetsminiſter, Freiherrn von Bodelſschwingh-
Velmede, def initiv das Portefeuille des Innern übertragen hat.

Königsberg, 18. Sept. An der russiſchen Grenze iſt
die Noth noch viel größer als bei uns. Die Bauern kommen zu
Hunderten herüber und plündern die Felder preußischer Siaatsangt-
hörigen. Unsere Regierung kann freilich nicht mehr thun, als daſj
ſie Truppen zum Schutz ihrer Einwohner an die Grenze beordertz und
wirklich iſt zu di:sem Behufe Militär sowohl von hier als von In-
ſterburg und Tilſit nach dort abgegangen. Aber damit iſt den un
glücklichen ruſſiſchen Einwohnern nicht geholfen, die der Hungersgesahr, !
im buchſtäblichen Sinn ausgesetzt ſind, wenn nicht die jenseitige Regie-,
rung wie die unſrige ihrer Armuth ſich annimmt. Daß Eltern ihre Kinf

ber feilbicten, ſte den Reichen zu fernerer Ernährung überlaſſen, if


 
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