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Mannheimer Abendzeitung — 1845

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No. 268 - No. 298 (1.October - 31. October)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44007#1220

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1242

u. a., ſowie durch Errichtung eines Kriminalamts in Gera vor meh-
reren Jahren hat fich unser ehemale so gaunerreiches Vogtland seit
einiger Zeit in ein beſſeres Licht gesetzt. Dennoch bleibt sehr viel zu
thun übrig, namentlich die Vernichtung der vielen Diebsherbergen.
Dire im Vogtlande hier und da heimischen Gauner ſind überigens
noch immer der alte gute Schlag, und auch im Fälſchen der Urkun-
den die Dümmfsten nicht. So macht D. Liebig in Schleiz auf fol-
genden Gaunerkniff aufmerkſam, der vielleicht nirgends anders so
häufig vorkommt, als hier zu Lande: Die Strohmer fsiehlen näm-
lich die an den Gerichtsthüren oder Amtsbrettern hängenden gericht-
lichen Verordnungen und lösen die Oblatensiegel herunter , indem ste
nach geſchehener Aufweichung auf der unteren Scite dieselben auf je-
des andere, natürlich gefälschte, Dokument aufkleben. Damit nun der
in der Regel scharf ausgeprägte Rand des Siegeldrucks auch auf
der gefälschten Urkunde recht ſichtbar hervortrcte, umfahren die Stroh-
mer denselben ringsum mit einer ſtumpfen Nadel. Hierdurch entfteht
in dem gefälschten Papiere ein Eindruck, welcher von dem durch den
Stempel verursachten kaum zu unterſcheiden it. J Die Gctreideärnte
iſt trotzdem, daß die Getreidefelder hier zu Lande gering sind, ver-
hältnißmäßig sehr gut ausgefallen und die Getreidepreiſe entweder die
alten, oder sogar niedrigere. Die Ambroſia des Vogtlandes, die
Kartoffel, bat eine gute Aernte geliefert und die neumodische Kar-
toffel-Krankheit kennen wir gar nicht. Wir ziehen uns reine und ge-
sunde Kartoffelſaat längſt aus den Samenäpfeln der Kartoffeln oder
benutzen nur ganze, wenn auch die kleinſten, als Aussaat. Hopfen,
iſt gut gerathen, und wenn auch die Gerfle in den Nachbarländern
nicht die beſte Ernte geliefert hat, ſo ſind doch die Preiſe des Bieres
die alten und das hierländiſche Bier, namentlich das weit und breit
ausgeführte von Köftritz, behauptct hinsichtlich der Güte den alten
Ruf. — Auch hier zu Lande bilden ſich allenthalben Vereine zur
Hebung des Bauernftand es und zur Verbeſſerung seiner Wirth-

ſchaften. Die vogtländische Rindvieh-Rage iſt anerkannt eine der be-

ſten in Deutschland. Derartige Vereine können allerdings sehr wirk-
sam werden; nur wünschen wir, daß vorerſt zweckmäßige Belehrung
der Bauern durch Schulen, Schriften und Zeitungen gefördert werde,
da diese Leute in Sachen der Intelligenz auch hier noch weit zurück
find.

Leipzig, 16. Okt. (Magd. Z.) Die an die zweite Kammer
gerichtete Beschwerde über das Miniſterium des Innern, deſſen Be-
kanntmachung vom 29. September betreffend, iſt geſtern, von 1801
Bürgern unterſchrieben, abgegangen. Von den Namensunterſchriften
fielen vorzüglich zwei auf: „Freyzang, Vater eines Erſchoſſenen", und
(Nordmann, Sohn eines Erſchoſſenenz. – Man iſt hier sehr ge-
spannt, was in Betreff der Kommunalgarde geschehen wird; das
dritte Bataillon, welches nach besonderer Anordnung auf den Grund
von Ermittelungen der Kommission einen Tadel erhalten sollte, ift
von den Hauptleuten der einzelnen Kompagnien wegen dienftgemäßen
Verhaltens belobt worden, und das 4. Bataillon, welches belobt und
den andern als Muſter vorgeſtellt werden sollte, hat erklärt, es möge
das Lob nicht. Dabei circulirt nun noch die Abſchrift eines Tages-
befehls, welcher dem Militär vor einigen Tagen eröffnet iſt, und
worin dem ausgezeichnet guten Verhalten des Militärs Anerkennung
ertheilt wird, Ohne Zweifel werden bei den jetzt verſammelten Stän-
den Beschwerden eingegeben werden.

Leipzig, 15. Oct. (Fr. J.) Der Ausſchuß der Kommunal-
garde, der die Unterſuchung gegen die dienſtwidriger Handlung be-
ſchuldigten Abtheilungen der Kommunalgarde zu fähren hat, hat eine
solche Handlungsweise nicht entdecken können. Die Hauplleute der 1.,
14. und 16. Kompagnie haben überdies erklärt, daß zwar die durch
das Schießen der Schützen hervorgebrachte allgemeine Aufregung an
ihren Kompagnien nicht vorbeigegangen sei, daß aber trotzdem ſie ſich
einer dienſtwidrigen Handlung nicht im Entfernteſten schuldig gemacht
hätten; vielmehr jeden an sie ergangenen Befehl pünktlich ausgeführt
und für diese ihre ausdauernde und aufopfernde Pflichterfüllung in den
ſo viel bewegten Tagen die größte Zufriedenheit und den beften Dank
auszusprechen ihre Pflicht sei. Mit dieſer Erklärung stimmt die Adresse
überein, welche das vierte Bataillon an seine Kameraden, an das
1., 2. und 3. Bataillon und an die Escadron erlassen. ~ Die Nach-
rige daß die Breslauer und Schleſiſche Zeitung hier verboten, ist
alſch.

K Sachsen-Weimar. Odefterer als je erheben ſich jetzt al-
lenthalben Klagen über Arbeiterdru > und mit Recht wird gefragt,
ob es erlaubt sei, jut, wo der Lohn der Arbeiter auf Null herunter
ift und zur Erhöhung desselben (während die Fabrikherren in Uep-
pigkeit schwelgen) faft gar Nichts gethan wird, dieselben noch auf alle
nur mögliche Weiſe zu drücken und drücken zu laſſen. Die Klagen
über Arbeiterdruck find faſt überall dieselben. Nehmen wir die be-
rühmte Srumpfwaaren - Fabrik der kleinen Stadt Apolda vor, so
finden wir eben auch das wucheriſche Waarenzahlen der Fabrikherren
an die Arbeiter längſt in Flor und nicht nur am Lohne müſsen ſich
dieselben fort und fort abziehen, sondern ſich noch dazu auch Brod,

Seife, Oel, Kaffee u. s. w. zu bohem Preise auf den Lohn anrechnen
laſsen, oder fie müſsen doch diese Dinge bei denjenigen Verlegern, welche
mit denselben eben handeln , kaufen, wenn ſie gutes Wetter haben
und die Arbeit nicht verlieren wollen. Die langjährigen und bedeuten-
den Münzfehden in Thüringen, welche turch Einführung des 14-Tbaler-
fußes endlich friedlich beigelegt wnrden, haben zwar die frühere Mani-
pulation der Strumpfwaarenverleger, den Arbeitern den preußischen
oder den früheren Konventions-Thaler zu mehren Groſchen Aufgeld
anzurechnen, beseitigt; dafür zahlt man aber jetzt an die Arbeiter
mitunter Goldftück: zu böherm Kurs, als der übliche, und die Ar-
beiter haben beim Wechseln derselben Einbuße. Eine Art des Ar-
beiterdrucks beſteht übrigens in Apolda, wie er wohl nirgens bes-
fteht.*) Seit 1842 — ob früher, können wir kaum glauben! –
muß nämlich „leder Strumpfwirkergesell, welcher bei einem Meifter
aus der Arbeit tritt, ein Vierteljahr lang aus der Stadt, darf alſo
bei keinem anderen Meifter in Arbeit treten! Es ift aber gewiß, daß
die Gesellen in den meiſten Fällen nur wegen des ſchlechten Mechanis-
mus des Stuhles, wegen schwieriger oder wenig lohnender Arbeit,
wegen schlechter Koft oder Behandlung von Seiten des Meisters aus
der Arbeit treten. Aber Das ſchützt nicht vor dem Exil, wenn nicht
der frühere Meiſter dem Gesellen Erlaubniß gibt, bei einem andern
Meifter zu „arbeiten. Indeß ift dieß ſelten der Fall, der Meifter be-
ſteht auf seinem Recht und iſt „im Recht!“ Bei auswärts gebürtigen Ge-
ſellen ließ sich dieser ungeheure, aller Vernunft und Billigkeit zuwider
laufende Druck vielleicht doch noch einigermaßen erklären; was ſagt man
aber dazu, daß selbt einheimisch e Gesellen trotz des Rekurſes an
die Oberbehörde dann, wenn ſie aus der Arbeit teaten, nur zwei
Wege offen standen: ent weder ins Exil zu wandern, wo es beim
Darniederliegen fremder Fabriken gar keine, oder doch nur schlechte
.?epeſt gab, o de r ein Vierteljahr lang nicht als Strumpſwirkergesellen
u arbeiten! –~

. Die Fabrik - Stadt Apolda hat seit zwanzig Jahren alle be-
deutenden Krisen beftanden; nur dur c< s 1ch selbſ, durch die aus-
dauernde Thätigkeit, Reellität, Geſchicklichkeit seiner Verleger und Ar-
beiter it ſie das geworden, was ſie iſt, eine bedeutende Fabrik - und
Handelsſtadt. Und diesem Umstand verdankt sie auch, daß mit groſ-
ſen Opfern die 1hüringſche Eisenbahn unmittelbar an ihr vorbeige-
führt wird. Es möchte sich alſo doch wohl der Mühe lohnen, daß
man dieser Stadt künflig alle möglichen Rückſichten angedeihen, und
auch dem Arbeiterdru>k, wenigstens den legtteren,. ausgleichen ließ.
Jeder andere Staat würde ſich im Besitze einer so bedeutenden
Jabrik. Stadt nur glücklich schäßen : möge sich auch das Land Wei-
mar im Besitz der Stadt Apolda künftig glücklich fühlen und dersel-
ben j! ihrer rührigen Bewohnern alle Anerkennung zu Theil wer-
den laſſen !



*) Leider doch; wenigstens beſtand dieß mindeſtens kleinliche Manöver
noch in unserer Stadt vor nicht langer Zeit in ziemlichem Umfange.

Verlin, 15. Okt. (Weser- Z.) Die Geldklemme, worin ſich
auch die hieſtge Börſe befand und zum Theil noch befindet, desgleichen
der von . der königl. Bank auf 5 pCt. erhöhte Diskonto haben Hrn.
v. Bülow-Cumerow veranlaßt, mit neuer Kraft für sein altes Pro-
jekt, die Errichtung einer Berliner Procentbank, in die Schranken zu
treten. Da der eingetretene Erſolg den größten Theil seiner Vermu-
thungen wahr gemacht und insbesondere bewieſen hat, daß es unferm
Verkehr und Handel noch viel zu sehr an den nachhaltigen Mitteln
des Geldes und Kredits fehlt, so läßt sich hoffen, daß der betrefsenden
Behörde eine beſſere Einsicht in die flaatswirthſchaftlichen Verhält-
niſſe beigebracht worden sei. Freilich ſind unsere unverbesserlichen Bü-
reaukraten von vorn herein gegen Alles eingenommen, was nicht aus
ihrem Schooße entsproſſen iſt, und am Wenigsten können die Herren
von dem Fiskué es dem pommerſchen Edelmann vergessen, welch’ derbe
Streiche er nun seit einer Reihe von Jahren unermüdlich und ſcho-
nungslos auf sie fallen läßt. Wenn überhaupt zu jeder Zeit, ſo hält
ganz besonders zu jetziger Hr. v. Bülow-Cumerow die Errichtung ei-
ner großen Landesbank für das allerdringendſte Bedürfniß.
Berlin und ein großer Theil der Preußischen Monarchie befinden fich
nach seiner Ansicht in einer der bedeutenden Geldkriſen, welche dahin
führen werden, daß entweder der Bau der Eiſenbahnen unterbrochen
werden muß oder ein großer Theil der Guts- und Hausbesitzer, nebſt
den Gewerbtr-ibenden und Kaufleuten darüber zu Grunde gehe. Die
Errichtung einer Bank für Berlin mit großen Fonds (bis zu 10 Mill.
Thaler) und die Aus gabe von Banknoten würden ein bedeuten-
des Gegengewicht auf die dermalige deflruktive Tendenz üben und je-
denfalls dem Geldmangel kräftig entgegenwirken.

7 Vensberg, 16. Okt. Ihre Zeitung (Nr. 269) tadelte den
Umstand, daß hier ganz unerwartet vier ehrenwerthe Männer aus
dem Gemeinderathe entfernt wurden, wo doch die neue Gemeinde-
Ordnung die freie Wahl des Gemeinderathes geſtattet, und füglich
bis dahin der alte Rath hätte beibehalten bleiben können. Nach der
bisherigen Verfaſſung schlägt der Bürgermeiſter beliebige Personen zur


 
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